Allg. Zeitung Mainz: Demaskiert / Frank Schmidt-Wyk zur Regierungskrise in Österreich
Geschrieben am 19-05-2019 |
Mainz (ots) - Nicht die Vernunft hat in Österreich gesiegt,
sondern die Macht der vierten Gewalt. Was für eine Ironie: FPÖ-Chef
Heinz-Christian Strache witterte die Chance, Medien auf Linie zu
trimmen, stattdessen stürzt er über Enthüllungen der Presse. Der
Skandal zeigt mal wieder, wie wichtig unabhängiger Journalismus für
das Funktionieren der Demokratie ist. Zur Urheberschaft des Videos
stehen zwar berechtigte Fragen im Raum: Wer hat es aufgenommen? Und
was hat Satiriker Jan Böhmermann damit zu tun, der gerne Politiker
öffentlich vorführt und früh von dem kompromittierenden Material
wusste? Doch das sind bei nüchterner Betrachtung Nebenaspekte. Die
Umstände ihrer Entstehung ändern nichts daran, dass diese Aufnahmen
die Selbstdemaskierung und -demontage des führenden österreichischen
Rechtspopulisten dokumentieren. Zu seiner Verteidigung hat Strache
nicht mehr aufzubieten, als das in rechten Kreisen übliche Muster:
einfach den Spieß umdrehen. Man ist nicht Täter, sondern Opfer. Und
dreist ignorieren, dass der larmoyante Vorwurf der "Perfidie" und
"Niederträchtigkeit" an die Gegner doppelt und dreifach auf einen
selbst zurückfällt. Strache gab sich als politischer Saubermann,
scherte sich in Wahrheit jedoch wenig um demokratische Prinzipien und
hätte keine Skrupel, aus reiner Machtgier die österreichische
Republik an obskure Investoren zu verhökern. Die Krise in Wien mag
dazu beitragen, den Rechtspopulismus zu entzaubern und seinen
Aufstieg in Europa abzubremsen. Doch eine Trendwende ist nicht in
Sicht. Nicht nur in Amerika gibt es inzwischen jede Menge Wähler, die
offenkundiges politisches Schurkentum nicht davon abhält, ihr
Kreuzchen bei Schurken zu machen.
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Allgemeine Zeitung Mainz
Zentraler Newsdesk
Telefon: 06131/485946
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