Mittelbayerische Zeitung: Feldzug der Moralisten. Ob Ramspauer Störche, Klima oder Küken: Immer öfter gehen Menschen im Dienst einer guten Sache viel zu weit. Von Claudia Bockholt
Geschrieben am 13-06-2019 |
Regensburg (ots) - Ob Klimaschutz oder Tierwohl: Die aktuellen
Debatten drohen Maß und Ziel zu verlieren. Ein Beispiel: Die "Fridays
for Future"-Initiative - vielleicht beflügelt von der Aussicht, dass
Galionsfigur Greta Thunberg nun auch noch mit dem Friedensnobelpreis
geadelt wird - will mit flächendeckenden Demos den Regensburger
Innenstadtverkehr lahmlegen. Wer das für unangemessen hält, ist in
ihren Augen vermutlich ein Eisbärenhasser. Noch maßloser verhalten
sich die selbsternannten Storchenschützer, die nicht vor
existenzschädigenden Verleumdungen und persönlichen Drohungen
zurückschrecken. Es war natürlich falsch, ein Nest ohne
Ausnahmegenehmigung vom Ramspauer Kirchendach zu holen. Doch für die
Prüfung dieses Vergehens und eine mögliche Strafe ist immer noch die
Justiz zuständig. Der Pranger war ein Instrument des finsteren
Mittelalters. Wer ihn im digitalen Zeitalter wieder aus der
historischen Folterkammer holt, hat mit Recht und Gesetz selbst nicht
viel am Hut. Moralische Empörung scheint in diesen Tagen die geltende
Währung in allen gesellschaftlichen und politischen Debatten zu sein.
Und für immer mehr Menschen scheint sie zum Freibrief zu werden. Sie
ziehen in den Krieg, den Schild eines unanfechtbaren Motivs
hocherhobenen Hauptes und stolz vor sich hertragend. Und wenn
Überzeugungen nicht reichen, müssen starke Wörter her. Dann wird aus
dem Kükentöten ein "Kükenmord", ein "grausamer" natürlich. Mit
Vernunft hat das nicht mehr viel zu tun. Es geht darum, möglichst
starke Emotionen zu schüren. Das lässt die Wellen kurz hochschlagen,
doch wirklich nachhaltig ist die Erregung nicht. Fakten statt Gefühle
sagen, dass es in Deutschland rund 40 Millionen Legehennen gibt. Sie
versorgen die Verbraucher mit jährlich 12 Milliarden Eiern. Die gute
Nachricht: Der Anteil an Eiern aus ökologischer Haltung steigt
langsam, aber stetig. 2017 lag er bei 10,5 Prozent. Weitere 17,7
Prozent der Hennen dürfen bereits fröhlich unter freiem Himmel
picken. Offensichtlich ist ein Teil der Verbraucher bereit, die
höheren Preise für Freiland-Eier hinzulegen. Einem weitaus größeren
Teil der Käufer ist es jedoch reichlich schnuppe, von wo das Ei in
ihrem Omelette stammt. Hauptsache, es ist nicht zu teuer.
Bio-Produkte, die - hoffentlich - umweltfreundlich und unter
Tierwohlaspekten produziert werden, machten 2017 lediglich 5,1
Prozent des Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Beim Fleisch ist
der Bio-Anteil noch geringer: Geflügel 1,4 Prozent, Rotfleisch 1,8
Prozent, Fleisch- und Wurstwaren sogar nur 1,2 Prozent. Die gefühlte
Menge an empörten Verbrauchern und die Zahl der tierfreundlichen
Kaufentscheidungen klaffen also weit auseinander. Fast so weit wie
die Zahl der glühenden Klimaschützer und die Zahl der gecancelten
Urlaubsflüge: Der Reisekonzern TUI meldete erst vergangene Woche,
dass die Deutschen - Greta wird es grausen - unverdrossen ferne
Urlaubsziele ansteuern. Allerdings: Dafür gibt es keine
Plastik-Umrührstäbchen mehr im Flieger. Das Kükenschreddern wird, so
hat es nun das Gericht beschlossen, über kurz oder lang ein Ende
haben müssen. Gut so. Wenn jedes Ei zunächst auf das Geschlecht des
Kükens untersucht werden muss, wird das aber vermutlich die Preise in
die Höhe treiben. Oder wir importieren einfach Billigware aus dem
Ausland, wo man es mit den männlichen Flauschküken nicht ganz so gut
meint wie die Deutschen. Und wo die Hennen vielleicht noch in Käfigen
brüten, statt draußen zu flattern. Deutschland trägt nur zwei Prozent
zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Unser Anteil an der weltweiten
Empörung liegt deutlich darüber. Ob hochmoralischer Impetus uns den
nötigen Schwung gibt, die hochgesteckten Ziele zu erreichen, ist
längst nicht ausgemacht. Das gesellschaftliche Klima belastet er auf
alle Fälle.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
690552
weitere Artikel:
- Rheinische Post: In der Familienpolitik geht noch was
Kommentar Von Antje Höning Düsseldorf (ots) - Es tut sich was: Im Unicef-Ranking zur
Familienpolitik steht Deutschland im Vergleich von 41 Nationen auf
Platz sechs. Ein gutes Ergebnis, erst recht im Vergleich zum
Schlusslicht Schweiz, wo Frauen noch bis vor Kurzem gesetzlich
verpflichtet waren, den Haushalt zu führen, und Väter bis heute mal
gerade einen Tag Elternzeit bekommen. Kein Wunder, dass die
Schweizerinnen im Kampf gegen die Rückständigkeit ihres Staates zum
nationalen Frauenstreik am Freitag aufrufen. Deutschland dagegen hat
sich gesellschaftlich mehr...
- Rheinische Post: Das Kükenschreddern muss endlich aufhören
Kommentar Von Eva Quadbeck Düsseldorf (ots) - Rechtlich ist die Praxis, männliche Küken zu
schreddern oder zu vergasen, weiterhin statthaft - moralisch ist es
ein Skandal. Jetzt ist Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner
gefragt. Sie muss ein Datum festlegen, ab wann das Kükentöten in
Deutschland verboten ist - und zwar zeitnah. Seit Jahren verspricht
die Regierung, die grausame Praxis zu beenden. Es ist auch etwas
geschehen. Inzwischen gibt es Techniken, das Geschlecht des Kükens im
Ei zu erkennen. Dadurch kann sortiert werden, bevor die Tiere
schlüpfen. mehr...
- Westfalen-Blatt: Kommentar zu den Krankenkassen Bielefeld (ots) - Krankenkassen in den roten Zahlen: Da schrillen
die Alarmglocken. Steigen jetzt wieder die Beiträge? Bevor diese
Sorge nun den Blutdruck der Versicherten in ungesunde Höhen treibt:
Soweit ist es noch lange nicht. Im Gegenteil. Die meisten
Krankenkassen haben sich dank der bislang bombastischen Konjunktur
ein beträchtliches Finanzpolster verschaffen können. Die Rücklagen
belaufen sich auf das Vierfache der gesetzlichen Vorgabe. Kein
Wunder, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Kassen eine
Schlankheitskur mehr...
- Badische Zeitung: Golf von Oman: Angriffe heizen Kriegsgefahr an /
Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Die Angriffe könnten eine verzweifelte Warnung
aus Teheran sein: Bis hierhin und nicht weiter! Aber käme die in
Washington an? Der US-Präsident hat schon so viele Linien der
Vernunft hinter sich gelassen, dass man ihm sogar zutraut, selbst
einen Krieg am Golf zu provozieren. Zurückhaltung und der Verzicht
auf voreilige Schlüsse sind da umso mehr das Gebot der Stunde.
http://mehr.bz/khs136s
Pressekontakt:
Badische Zeitung
Schlussredaktion Badische Zeitung
Telefon: 0761/496-0
kontakt.redaktion@badische-zeitung.de mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum Töten von Küken Stuttgart (ots) - Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden,
dass die massenhafte Tötung männlicher Eintagsküken nicht mehr mit
dem Tierschutzgesetz vereinbar ist. Dem kann man nur zustimmen.
Inzwischen gibt es die Möglichkeit, das Geschlecht bereits im
befruchteten Ei festzustellen und Eier mit männlichen Embryonen
gleich auszusortieren. Dass sich die Richter nicht zu einem
sofortigen Verbot durchgerungen haben, mag Tierschützer empören. Doch
bestehende Produktionsabläufe lassen sich nicht von einem Tag auf den
anderen ändern. mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|