Mittelbayerische Zeitung: Die große Koalition wirkt bettfertig / Nach Wochen ermüdender Personaldebatten ringen sich die Koalitionäre wieder zur Sacharbeit durch. Doch das Misstrauen sitzt tief. Von J
Geschrieben am 16-06-2019 |
Regensburg (ots) - Diesmal haben sich alle zusammengerissen. Es
sollte nur um Inhalte gehen, nicht ums Personal. Diesmal wirklich.
Die Spitzen von Union und SPD gaben sich bei ihrer Fraktionsklausur
am vergangenen Donnerstag und Freitag ebenso wie beim gestrigen
Koalitionsausschuss die größte Mühe, nach außen hin den Eindruck zu
vermitteln, man konzentriere sich voll und ganz auf die Sacharbeit:
unter anderem den Mobilfunk, die Pflege, die Wirtschaft und den
Bundeshaushalt knöpfte man sich vor. In den Wochen seit den herben,
historischen Niederlagen bei der Europawahl und dem Rücktritt von
Andrea Nahles hatten die Koalitionsparteien mehr Energie für die
Arbeit an sich selbst als für die Regierungsarbeit verschwendet.
Ermüdende Streitereien um Personal und Posten sind zum Normalzustand
im politischen Berlin geworden, so scheint es. Es ist ein
frappierender Befund über den Zustand dieser großen Koalition, wenn
die inhaltliche Auseinandersetzung zur seltenen Ausnahme verkommt. Es
waren die ersten Spitzentreffen der Koalitionäre nach den
Schockerlebnissen vom 26. Mai und 2. Juni. Nein, die Stimmung sei
davon nicht getrübt worden, betonte Unionsfraktionschef Ralph
Brinkhaus (CDU) ausdrücklich, "weil wir auf Arbeitsebene in den
Fraktionen immer sehr sachlich zusammengearbeitet haben". Laut
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wolle man Stabilität und
Handlungsfähigkeit zeigen. Und der Parlamentarische Geschäftsführer
der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, befand, dass die Koalition viel
Besseres leiste, als die öffentliche Zustimmung vermuten ließe. Man
hält in Berlin also demonstrativ an der Koalition fest - allen
Spekulationen über Neuwahlen zum Trotz. Doch allein die Tatsache,
dass Fraktionsspitzen ihren guten Willen derart herauskehren, spricht
schon dafür, dass eben dieser zuletzt kaum erkennbar war. Wer nimmt
die inhaltliche Zusammenarbeit der Groko wahr? Wer schätzt sie für
ihre Errungenschaften? Betrachtet man Wahlergebnisse und Umfragen,
dann tut das nur die Minderheit. Der Glaubwürdigkeitsverlust ist zu
groß, das Misstrauen sitzt zu tief. Nun standen also Mobilfunk,
Pflege, Wirtschaft und gestern vor allem der Haushalt auf der Agenda.
Ohne Zweifel sind der fehlende flächendeckende Mobilfunkausbau und zu
niedrige Löhne bei zu hohen Belastungen im Pflegesektor überfällige
Probleme, für die die Politik Lösungen finden muss. Fragt man
allerdings nach den Themen, die die Menschen am meisten umtreiben,
dann steht laut Forschungsgruppe Wahlen Umwelt und Energiewende ganz
oben, gefolgt von Fragen zu Ausländern und Integration, dem sozialen
Gefälle und den Renten. Diese Themen lassen sich nicht in drei Tagen
abarbeiten, keine Frage. Dennoch ist das Signal aus der Wählerschaft
eindeutig: Es sind die dicken Bretter, die zu bohren die Menschen von
der Politik erwarten. Auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen, sich
in ihre Themen hineinbohren, Antworten auf zukunftsrelevante Fragen
geben - bei diesen Punkten glänzt die Regierung nicht. Wirklichen
Nervenkitzel scheinen vielen Koalitions-Politikern dagegen
tatsächlich nur die Personaldebatten zu bringen: Dann wachen sie auf,
werden laut, bringen sich in Stellung. Bei Fragen zum Klimaschutz,
zum richtigen Maß zwischen Offenheit und Härte in der Asyl- und
Einwanderungspolitik, zur wachsenden sozialen Ungleichheit - da
wirken sie dagegen oftmals müde und behäbig. Es wirkt dann, als wäre
die große Koalition bettfertig, bereit sich zur Ruhe zu legen. Eines
sei hier betont: Es ist nicht nur im Sinne der Koalitionäre, dass die
Regierung stabil und handlungsfähig ist. Es ist im Sinne aller
Bürger. Die Bevölkerung verlangt nach wachem Tatendrang und neuen
Ideen für dieses Land. Die Rufe danach werden immer lauter.
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