Börsen-Zeitung: Deckel auf dem Ölpreis / Kommentar zum Ölmarkt von Dieter Kuckelkorn
Geschrieben am 05-07-2019 |
Frankfurt (ots) - Die jüngste Entscheidung der Organisation Erdöl
exportierender Länder (Opec) und befreundeter Staaten unter Führung
Russlands, die seit Anfang diesen Jahres gültigen
Produktionskürzungen für weitere neun Monate beizubehalten, hat am
Ölmarkt eine wohl nicht erwartete Reaktion ausgelöst: Der Preis der
weltweit wichtigsten Sorte Brent Crude gab einen Tag nach dem
Beschluss um 4% nach. Erholt hat sich der Ölpreis seither kaum.
Die Marktreaktion überrascht eigentlich, wenn man bedenkt, dass
die Beschlüsse ausreichen sollten, um ein Überangebot an dem
Energieträger in der zweiten Jahreshälfte zu verhindern. Einen Grund
für den genannten Preisrutsch auszumachen, falle schwer, betont
Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Die
Nachrichtenlage spreche eher für steigende Notierungen am Ölmarkt.
Diese Betrachtungsweise ist sicherlich richtig und angemessen,
wenn man sich die fundamentalen Marktgegebenheiten ansieht, auf denen
die Preisentwicklung letztlich beruht, und wenn man andere Aspekte
wie die politischen Einflussfaktoren ausklammert, die auf den Ölpreis
drücken.
So ist eine Verhinderung von Überproduktion tatsächlich weniger
die Folge der offiziellen Opec-Beschlüsse. Diese besagen, dass die
Opec und ihre Verbündeten unter Führung Russlands ("Opec plus")
nach wie vor 1,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) weniger produzieren als
in der Referenzperiode vom Oktober 2018. Von Januar bis Mai dieses
Jahres hat die tatsächliche Fördermenge aber um 1,33 Mill. bpd unter
dem Referenzwert gelegen. Das ist vor allem darauf zurückzuführen,
dass Saudi-Arabien sein Kürzungsversprechen deutlich übererfüllt: Das
Opec-Schwergewicht kommt auf einen Prozentsatz der Einhaltung der
Quoten von 216%. Demgegenüber erfüllt das andere Schwergewicht
innerhalb der erweiterten "Opec plus", nämlich Russland, sein
Versprechen nur zu 64%. Andere Mitglieder der Staatengruppe hatten
von vornherein nur deutlich geringere Kürzungen zugesagt.
Neben dem Einsatz Saudi-Arabiens ist die Vermeidung einer
Überversorgung vor allem den harten US-Sanktionen gegen Venezuela und
den Iran sowie dem Bürgerkrieg in Libyen geschuldet, die zu
erheblichen, aber unfreiwilligen Einbrüchen der Ölproduktion dieser
Länder geführt haben.
Insofern kann man nicht gerade von einer starken und einigen Opec
sprechen, die den Ölmarkt kontrolliert. Im Gegenteil: In der Opec
herrscht alles andere als Einigkeit. Hinter den Kulissen brechen
derzeit diverse Konflikte auf. So beschuldigen beispielsweise der
Iran und Venezuela Saudi-Arabien, der große Nutznießer der
US-Sanktionen zu sein. Und letztlich haben auch Russland und
Saudi-Arabien keine deckungsgleichen Interessen. Die Abhängigkeit
des russischen Staatshaushalts von den Ölexporten hat sich inzwischen
deutlich reduziert. Die russische Regierung ist sich bewusst, dass
ein zu hoher Ölpreis die weitere Diversifizierung der heimischen
Wirtschaft behindert. Auf der anderen Seite ist Saudi-Arabien
dringend auf einen möglichst hohen Ölpreis angewiesen, um das Defizit
im Staatshaushalt abzubauen und den Aufbau eines von Öl unabhängigen
Wirtschaftssektors zu finanzieren.
Die Macht der Opec wird auch dadurch eng begrenzt, dass es auch
noch die USA als den dritten großen Ölproduzenten gibt, der seine
Ölproduktion kontinuierlich ausbaut und im April dieses Jahres mit
12,2 Mill. bpd auf eine Rekordförderung kam. Zwar hat der
Ölpreisverfall im vierten Quartal 2018 auch zu einer deutlichen
Abschwächung des Wachstums der amerikanischen Schieferölindustrie
geführt. Dennoch geht die Expansion weiter, bei einem deutlichen
Anstieg des Ölpreises würde sie sich auch wieder stark beschleunigen.
Insofern deckelt nach wie vor der amerikanische Schieferölsektor den
Ölpreis.
Ferner sollte nicht übersehen werden, dass mit Blick auf die
aktuelle Entwicklung der Weltkonjunktur eher die Gefahr einer noch
stärker als erwartet ausfallenden Abschwächung besteht als die Chance
auf eine spürbare Erholung. Dies gilt umso mehr, als davon
ausgegangen werden muss, dass der Waffenstillstand im
amerikanisch-chinesischen Handelskrieg nur eine begrenzte Zeit halten
kann. China ist dabei, die USA als führende Weltmacht abzulösen, was
diese mit Mitteln der ökonomischen Kriegsführung zu verhindern sucht.
Insofern gibt es viele Gründe, die gegen einen deutlichen Anstieg des
Ölpreises sprechen.
(Börsen-Zeitung, 06.07.2019)
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