Westfalen-Blatt: ein Leitartikel zum Solidaritätszuschlag
Geschrieben am 21-08-2019 |
Bielefeld (ots) - Die Sache mit dem Soli ist kompliziert: Folgt
man den Worten des Koalitionsvertrages, so müssten CDU/CSU und SPD
mit ihrem Kabinettsbeschluss eigentlich ganz zufrieden sein. Wieder
ein Punkt abgehakt auf der To-do-Liste. Sind sie aber nicht, und das
hat durchaus seine Gründe. Dass es insbesondere aus den Reihen der
Christdemokraten einige Kritik am Entwurf von SPD-Finanzminister Olaf
Scholz gibt, liegt an der veränderten Erwartungshaltung. Denn die CDU
hatte ja auf dem Hamburger Parteitag im Dezember nicht nur Annegret
Kramp-Karrenbauer zur Nachfolgerin von Angela Merkel im Amt der
Vorsitzenden gemacht, sondern auch beschlossen, »den Solidarbeitrag
bis 2021 vollständig abzuschaffen«. Was die Mittelstandsvereinigung
um ihren Vorsitzenden und Paderborner Bundestagsabgeordneten Carsten
Linnemann damals zu Recht als eigenen Erfolg feierte, droht sich nun
als haltloses Versprechen zu entpuppen. Aber auch die SPD kann sich
nicht eines echten Erfolges rühmen. Denn geht man noch ein Stück
weiter zurück in die Phase der Koalitionsverhandlungen, so wollten
die Sozialdemokraten selbst den Soli abschaffen. Allerdings sollte
sein Einnahmevolumen von 20 Milliarden Euro beibehalten werden, indem
der Spitzensteuersatz steigt und die Progressionskurve im obersten
Bereich entsprechend angepasst wird. Ohne Zweifel wäre ein solches
Vorgehen auch jetzt ehrlicher gewesen. Doch davor wiederum war der
Schwur von CDU/CSU, wonach es »keine Steuererhöhungen« geben wird.
Nun kommt die Reichensteuer durch die Hintertür, und die
Alternativpläne von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier
verschwinden sang- und klanglos wieder in der Schublade. Offenkundig
fehlt die Kraft für eine Grundsatzdebatte darüber, ob der Staat
auskömmlich finanziert ist oder nicht, ob er mithin Steuererhöhungen
benötigt oder ob es nicht lange schon an der Zeit für Steuersenkungen
gewesen wäre. CDU und SPD sind beide schlicht zu schwach dafür.
Folgerichtig wird das Ganze über einen Formelkompromiss kaschiert,
den der Bund der Steuerzahler vollkommen zu Recht rügt. Natürlich
werden alle diejenigen, die den Soli nach dem Scholz-Plan auch über
2020 hinaus zahlen müssten, deswegen nicht in finanzielle Not
geraten. Aber reicht das aus, um über politische Unaufrichtigkeit
hinwegzusehen und neue Verzerreffekte in Kauf zu nehmen?
Ordnungspolitisch ist dieser Gesetzentwurf ein Offenbarungseid. Und
zu befürchten ist, dass die Große Koalition bei der Grundrente mit
dem Streitpunkt Bedürftigkeitsprüfung bald einen ähnlich faulen
Kompromiss präsentierten wird. Mit Blick auf den Soli bleibt nur die
Hoffnung auf die Karlsruher Richter. Deren Anrufung haben FDP und AfD
wegen verfassungsrechtlicher Bedenken ja bereits angekündigt.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Scholz Stephan
Telefon: 0521 585-261
st_scholz@westfalen-blatt.de
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
698669
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: ein Kommentar zu Salvini Bielefeld (ots) - Matteo Salvini weiß selbst am besten, dass er
sich verpokert hat. Der starke Mann der in Italien - in den Umfragen
- stärksten Partei will Ministerpräsident werden. Um dieses Ziel so
schnell wie möglich zu erreichen, scheint ihm fast jedes Mittel
recht. Seine einzige Möglichkeit, Regierungschef zu werden, sind
Neuwahlen. Im Moment sieht es nicht so aus, als würde Staatspräsident
Sergio Mattarella das mutwillig provozierte Ende der Koalition aus
linkspopulistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer
Lega mehr...
- Mittelbayerische Zeitung: Trumps kaltes Kalkül
Mit seinem Kaufangebot für Grönland sorgt der US-Präsident für einen Eklat. Dahinter stecken Interessen. Regensburg (ots) - Die schönsten Parodien schreibt das wirkliche
Leben. In diesem Fall der US-Präsident, dessen Begehrlichkeiten,
Grönland zu kaufen, anfangs kaum jemand ernst nahm. Nicht einmal
seine eigenen Mitarbeiter im Weißen Haus, die den Prüfungsauftrag von
ganz oben erst einmal auf Eis gelegt hatten. Zu absurd schien ihnen
die Idee, dem Königreich Dänemark dessen Kronjuwel in der Arktis
abzuluchsen. Zumal es sich um eine autonome Region handelt, deren 56
000 Einwohner das Recht haben, über ihr eigenes Schicksal zu
bestimmen. mehr...
- BERLINER MORGENPOST: Das ist unprofessionell / Kommentar von Alexander Dinger zum Streit im Senat um Abschiebungen Berlin (ots) - Beim Thema Abschiebungen leistet sich Berlin ein
unprofessionelles Hin und Her. Erst dürfen Polizisten
Flüchtlingsheime betreten, dann untersagt ihnen die Sozialsenatorin
den Zutritt. Weil mehrere Beamte bereits Anzeigen bekamen, lenkte
Innensenator Andreas Geisel ein und setzte Abschiebungen damit quasi
außer Kraft. Nachdem der Bund mit einer neuen Gesetzgebung die
erleichtert hat, kehrt die Innenverwaltung wieder zu ihrer alten
Weisung zurück. Die Sozialsenatorin bleibt wiederum bei ihrer
Auffassung.
Nun ist mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum Solidaritätszuschlag Stuttgart (ots) - Die Kommunikationskünstler dieser Koalition
haben auch die Sache mit dem Soli verbockt. Die Regierungspartner
hätten betonen können, dass sie Wort halten - wie im
Koalitionsvertrag versprochen fällt der Steuerzuschlag zur
Finanzierung der deutschen Einheit für die meisten derer, die ihn
bisher zahlen, bald weg. Gemeinsam hätten Christ- und
Sozialdemokraten berichten können, dass der Soli-Abbau nicht nur
eine finanzielle Entlastung von etwa zehn Milliarden Euro darstellt,
sondern im 30. Jahr nach dem Mauerfall mehr...
- Rheinische Post: Die Hälfte der Angriffe auf Parteivertreter gilt der AfD Düsseldorf (ots) - Die Behörden registrieren immer mehr
Gewalttaten gegen Politiker und Parteivertreter. Wie die Düsseldorfer
"Rheinische Post" (Donnerstag) unter Berufung auf eine Antwort der
Bundesregierung auf Anfrage der AfD berichtet, stieg die Zahl der
Straftaten mit diesem Angriffsziel vom ersten zum zweiten Quartal von
217 auf 372. Von den insgesamt 589 Angriffen galten 295
Repräsentanten der AfD. Im zweiten Quartal lag vor allem die
Schlussphase des Europawahlkampfs. Neben 181 Angriffen auf
AfD-Repräsentanten im zweiten Quartal mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|