Rheinische Post: Kommentar /
Radikalität ist Gift
= Von Henning Rasche
Geschrieben am 05-09-2019 |
Düsseldorf (ots) - Die Lobeshymnen auf das britische Unterhaus
nehmen kein Ende. Begeistert erzählen sich Deutsche von den obskuren
Szenen im House of Commons. Politik kann unterhaltsam sein, mögen sie
denken. Dabei ist das, was in London geschieht, eine Tragödie. In
Großbritannien zeigt sich, wohin Radikalität führt: verdammt nah an
den demokratischen Abgrund. Der Anführer dieser Entwicklung heißt
Boris Johnson. Dass Johnson nicht bloß ein Clown ist, sondern ein
Lügner, hat er während des Brexit-Referendums offenbart. Mittlerweile
führt er aber die Regierung des Vereinigten Königreichs an. Als
britischer Premierminister verwendet er einen erschreckend
autoritär-radikalen Stil.
Die parlamentarische Demokratie findet Johnson im Alltag eher
lästig und Kritiker nervig. Seinen Plan, Großbritannien alsbald aus
der EU zu führen, will er - komme, was wolle - umsetzen. Was ihn
davon abhält, wird beseitigt. Das Parlament will einen No-Deal-Brexit
verhindern? Ab in die Zwangspause! 21 Abgeordnete von Johnsons Tories
stimmen in der Debatte für das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit? Raus
mit ihnen! Es mag legal sein, was Johnson tut. Aber es ist
brandgefährlich. Das Gift ist die Kompromisslosigkeit. Politik ist
der Ort des Ausgleichs von Interessen, nicht der Ort, um
Einzelinteressen durchzusetzen. Mit seiner Rücksichtslosigkeit ist
Johnson aber auf der Welle des Zeitgeists. Populisten überall auf der
Welt versprechen, hehre Ziele auf einfachen Wegen zu erreichen. Das
ist, in einer Demokratie jedenfalls, unmöglich. Zudem hat nicht das
britische Volk Boris Johnson das Regierungsmandat verliehen, sondern
die konservative Partei. Dieser Konstruktionsfehler sollte nun durch
eine Neuwahl behoben werden. Johnson sollte die Briten fragen, ob sie
seinen autoritär-radikalen Stil gutheißen. Besser wäre, sie sagten:
No.
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