PwC-Experten zur IAA: "Trotz bisherigem Rückgang um 2% ist 2019 ein wichtiges Wendejahr für die globale Automobilindustrie"
Geschrieben am 10-09-2019 |
Frankfurt am Main (ots) - Blick zurück: zehn Jahre nach dem
Zusammenbruch der globalen Automobilindustrie / Auslaufen des Booms
nach 10 Jahren / Chinesische Sonderkonjunktur / Blick nach vorne:
Trends und Tendenzen der Branche für das Jahr 2029
Mit dem Übergang in die strukturelle Transformation findet der
zehn Jahre andauernde Aufschwung der globalen Automobilindustrie
seinen Abschluss. So lautet die wichtigste Einschätzung von Felix
Kuhnert, Global Automotive Leader bei PwC und Christoph Stürmer,
Global Lead Analyst bei PwC Autofacts. Anlässlich der Internationalen
Automobil-Ausstellung IAA, die vom 12. bis zum 22. September 2019 in
Frankfurt am Main stattfindet, werfen sie einen Blick zurück auf die
Entwicklung des Weltautomobilmarkts in den zehn Jahren nach Beginn
der Weltwirtschaftskrise 2009. Außerdem schauen sie auf Trends,
Tendenzen und die größten Herausforderungen der kommenden Dekade.
Blick zurück: Talfahrt der globalen Autobranche 2009
Nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 2009 erlebte die Branche
weltweit ihr schwächstes Quartal, die weltweite Automobilproduktion
ging zwischen Oktober und Dezember 2009 um bis zu 40 Prozent zurück.
Im Jahresmittel sank die Produktion um bis zu 32 Prozent in
Nordamerika, um 16% in Europa. "Vor genau zehn Jahren stürzte die
globale Automobilindustrie in eine tiefe Krise", sagt Felix Kuhnert.
Der Marktzusammenbruch wirkte sich in den einzelnen Ländern
allerdings unterschiedlich stark aus: In den USA beispielsweise
gingen viele Unternehmen in die Insolvenz, insbesondere in der Gegend
um Detroit, der traditionell stärksten Region der US-amerikanischen
Automobilproduktion. "Der 'Rust Belt' konnte sich bisher nicht
vollständig von dem Zusammenbruch erholen", so Kuhnert. Profitiert
hätten davon Mexiko, die Südstaaten, auch Städte an der Westküste, in
die sich die Industrie teilweise verlagert habe.
Während die Wirtschaftskrise von 2009 auch in den Industrien in
Japan und Korea zu langfristigen Problemen führte, zeigte sich in
Europa ein differenziertes Bild: Länder wie Großbritannien, Irland
und Spanien traf der Einbruch sehr hart, auch dort mussten viele
Unternehmen aufgeben. In Deutschland und Österreich sorgten
erweiterte Kurzarbeit und Auffanggesellschaften dafür, dass
insbesondere Zulieferbetriebe schnell lieferfähig waren, als die
Nachfrage wieder anzog. In der Folge sicherten sie sich zusätzliche
Anteile des Weltmarkts, die sie in den Jahren darauf behaupten
konnten.
Fundamentale Transformation: Der zehnjährige Aufschwung ist vorbei
"In den zehn Jahren nach der Krise erfolgte dann ein regelrechter
Boom", erläutert Christoph Stürmer von PwC Autofacts. Zwischen 2009
und 2019 ist der globale Automobilmarkt stetig gewachsen - um
insgesamt fast 60%, mit einem CAGR von 5,8%. Dieser Aufschwung sei
bereits 2018 eingebremst worden, und 2019 werde das zweite Jahr, in
dem die globale Automobilindustrie einen sichtbaren Nachfragerückgang
um ca. 2% erlebt. Damit hat sich die Sonderkonjunktur der
Automobilindustrie erschöpft und ist in einen zyklischen Rückgang
übergegangen. Gleichzeitig wirft aber der nächste große Zyklus der
Automobilindustrie seine Schatten voraus. "Die nächste Transformation
der Branche wird fundamental, vergleichbar mit der digitalen
Transformation anderer Industrien. More of the same, also jedes Jahr
Wachstum um 5 Prozent - so lautete das Erfolgsmuster der Hersteller
in den Jahren des Erfolgs", erklärt Global Automotive Leader Felix
Kuhnert. Echte Strukturveränderungen seien in der zurückliegenden
Dekade ausgeblieben, und viele Produzenten hätten den Warnschuss des
Unternehmens Tesla, das 2012 das erste vollelektrische Fahrzeug auf
den Markt brachte, nicht ausreichend ernst genommen.
Dennoch: Transformation erlaubt erneuten Aufschwung für die
nächsten zehn Jahre
Mit Blick auf die aktuelle Situation insbesondere der deutschen
Automobilbranche gibt es aber durchaus positive Nachrichten. So
brachte der August 2019 Angaben des Verbands der Automobilindustrie
(VDA) zufolge ein Wachstum von 3 Prozent gegenüber dem bereits hohen
August 2018. Im August 2018 waren die Neuzulassungen gegenüber August
2017 um 32,5 Prozent gestiegen, im letzten Quartal 2018 dann aber um
bis zu 20% zurückgegangen. Dies sei für 2019, so die Experten, nicht
so extrem zu erwarten. In Europa bereite allerdings aktuell die
Diskussion um den EU-Ausstieg Großbritanniens die größten
Sorgenfalten. Im April 2019 etwa ging dort die Fahrzeugproduktion um
satte 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück.
China bescherte Sonderkonjunktur
Auch der Entwicklung des chinesischen Marktes sehen die
PwC-Experten optimistisch entgegen, denn Ende Mai 2019 beschloss die
Regierung in Peking ein Gesetz, das Automobilbesitzer dazu zwingt,
ihre Benzinfahrzeuge mit dem "National 3"-Standard bis Ende 2020
gegen neue Fahrzeuge zu tauschen. "Zwischen 2005 und 2010 wurden etwa
26 Millionen der National-3-Fahrzeuge verkauft, mindestens 20
Millionen dürften noch auf den Straßen unterwegs sein", schätzt
Christoph Stürmer von PwC Autofacts. Demzufolge sei für die nächsten
18 Monate mit einer sichtbaren Sonderkonjunktur auf dem chinesischen
Automobilmarkt zu rechnen.
Die globale Automobilbranche im Jahr 2029 - Trends und Tendenzen
Welche Entwicklungen werden die Automobilindustrie in den
kommenden zehn Jahren prägen? Felix Kuhnert sagt: "Die derzeitige
Transformation bedeutet nichts Geringeres als die umfassende
Digitalisierung des Mobilitätssektors." Das betreffe die Produktions-
und Designprozesse bei den Herstellern ebenso wie die Mobilitäts- und
Geschäftsmodelle. "Die Produzenten werden sich mehr und mehr zu
Unternehmen entwickeln, die nicht allein Autos herstellen und auf den
Markt bringen, sondern Mobilität als Dienstleistung anbieten",
ergänzt Kuhnert. Die Investitionssummen in neue Technologien wie
elektrische Antriebe und automatisiertes Fahren sowie Konzepte wie
Car Sharing liegen im Milliardenbereich. Über das Zielbild der
Mobilitätstransformation indes herrsche aktuell zunehmende Einigkeit.
Zwischen 2027 und 2030 könnte der Fahrzeugbestand in Europa schon
um ca. 7,5% abnehmen, prognostiziert Analyst Christoph Stürmer. Dies
liege vor allem an der Zunahme der Shared Mobility durch
automatisierte Fahrzeuge. "Die Menge an Fahrzeugen auf der Straße
wird zwar nicht wesentlich zurückgehen, aber der Verkehr wird dank
intelligenter, miteinander kommunizierender Autos besser fließen",
sagt der Experte. Insbesondere der Anteil geparkter Fahrzeuge werde
signifikant abnehmen. Und in den Städten werden die vollelektrischen
Fahrzeuge deutlich sichtbarer sein. "Jeder zweite in der Stadt
gefahrene Kilometer wird von einem E-Fahrzeugen zurückgelegt werden.
Eine spannende Frage ist in diesem Zusammenhang, wie der ID3, das
erste vollelektrische Fahrzeug von Volkswagen, von den Kunden
angenommen wird."
Werden wir auf der IAA 2029 noch Autos sehen? "Definitiv ja", ist
sich Felix Kuhnert sicher. "Allerdings werden wir eine viel größere
Differenzierung bei Konzept und Nutzung sehen." So würden erheblich
mehr sehr kleine Fahrzeuge für den Stadtverkehr auf den Markt kommen,
ebenso große, luxuriöse Autos, die eher fahrenden Konferenzräumen als
den heutigen Autos ähneln. Die Konfigurierbarkeit und
Individualisierbarkeit der Fahrzeuge zeichne sich bereits heute ab,
werde künftig aber noch zunehmen. Insgesamt werde die IAA im Jahr
2029 eher dem heutigen Ausstellungsteil "New Mobility World" ähneln,
auf dem sich Cloud-Dienstleister, Entwickler autonomer Fahrsysteme
und Mobilitätsplattformen nebeneinander präsentieren. "Eine sehr
dynamische Entwicklung", findet Christoph Stürmer von PwC-Autofacts
und ergänzt: "Für die globale Automobilindustrie ist die IAA 2019 ein
Wendepunkt - zehn Jahre nach der Krise bietet sie einen spannenden
Ausblick auf das nächste Jahrzehnt, trotz der aktuellen
Konjunkturprobleme."
Über PwC:
PwC betrachtet es als seine Aufgabe, gesellschaftliches Vertrauen
aufzubauen und wichtige Probleme zu lösen. Mehr als 250.000
Mitarbeiter in 158 Ländern tragen hierzu mit hochwertigen,
branchenspezifischen Dienstleistungen in den Bereichen
Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung bei. Die
Bezeichnung PwC bezieht sich auf das PwC-Netzwerk und/oder eine oder
mehrere der rechtlich selbstständigen Netzwerkgesellschaften. Weitere
Details unter www.pwc.com/structure.
Pressekontakt:
Sven Humann
PwC Communications
Tel.: +49 (0) 211 981 - 2188
E-Mail: sven.humann@pwc.com
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