Deutsche Umwelthilfe zur IAA 2019: Vertrauen wiederherstellen, 11 Millionen Betrugsdiesel nachrüsten und Ausstieg aus Verbrenner bis 2025 zusagen
Geschrieben am 11-09-2019 |
Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe erwartet von Herstellern ein
Ende des Betrugs an Autokäufern bei Stickoxid- und Klimagasemissionen
- Autokonzerne müssen alle 11 Millionen betroffenen Diesel-Fahrzeuge
mit Abschalteinrichtungen auf eigene Kosten mit einer
funktionierenden Abgasanlage nachrüsten - DUH erwartet anlässlich der
IAA-Eröffnung im Beisein der Bundeskanzlerin eine verbindliche Zusage
der Konzernchefs von BMW, Daimler und VW, für jeden betroffenen
Diesel-Pkw die enthaltenen Abschalteinrichtungen offenzulegen und für
alle Pkw-Neuwagen die CO2-Werte nach der geltenden EU-Norm zu
veröffentlichen - DUH bekräftigt 12-Punkte-Plan für Klimaschutz und
Erhalt der Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie
Mit einem haushohen "Airframe" hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH)
vor den Toren der Internationalen Automobilausstellung IAA eine
kritische Bilanz nach vier Jahren Abgasskandal gezogen: Die Botschaft
lautet: "11 Millionen betrogene Dieselkäufer, 57 vergiftete Städte
und 800.000 kranke Menschen, keine Hardware-Nachrüstung durch BMW und
Co."
Die DUH fordert die Autohersteller anlässlich der IAA auf, den
Betrug an Autokäufern und das Konterkarieren von Klimaschutzzielen
endlich zu beenden. Dazu gehören die lückenlose Aufklärung des
Abgasskandals, ehrliche Abgas- und Spritangaben sowie eine
Hardware-Nachrüstung für die Abgasreinigungssysteme aller
Betrugs-Diesel auf Kosten der Hersteller. Von der Bundesregierung
fordert die DUH als klares Signal für Klimaschutz und zukunftsfähige
Arbeitsplätze die Ankündigung, ab dem 1. Januar 2025 keine Pkw mehr
mit reinen Verbrennungsmotoren zuzulassen.
"Wir erwarten von den Autokonzernen ein Ende des immer noch
fortgesetzten Betrugs an Autokäufern und Klimaschutz. Hierzu müssen
die Hersteller alle 11 Millionen Diesel-Fahrzeuge mit immer noch
aktiven Abschalteinrichtungen auf eigene Kosten mit einer
funktionierenden Abgasanlage nachrüsten. Zur morgigen Eröffnung der
IAA fordern wir die Vorstände von BMW, Daimler, VW & Co. auf,
verbindlich zu erklären, dass sie für jedes vom Abgasbetrug
betroffene Euro 5 und Euro 6 Diesel-Modell die darin aktiven
Abschalteinrichtungen veröffentlichen", sagt Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der DUH.
Alle Besitzer von Diesel-Pkw der Abgasstufe Euro 5 und 6 sollten
wissen, bei welchen Außentemperaturen, in welchem Fahrmodus, bei
welchen Beschleunigungen oder Motordrehzahlen oder nach wie vielen
Minuten Fahrzeit die Abgasreinigung deaktiviert wird. Zum einen, um
entsprechende Ansprüche auf Rückgabe oder Reparatur dieser Fahrzeuge
gegenüber den Herstellern durchzusetzen. Zum anderen, um bis zu
Rückgabe oder erfolgter Reparatur das Fahrverhalten so anzupassen,
dass die Betrugs-Diesel möglichst wenig zur Luftverschmutzung
beitragen.
Die DUH fordert von den Herstellern und der Bundesregierung, alle
den Behörden vorliegenden Abgas- und CO2-Messwerte sowie
Informationen über Abschalteinrichtungen und deren Folgen auf das
Abgasverhalten der Fahrzeuge endlich zu veröffentlichen. In mehreren
von der DUH angestrengten Verfahren wurden sowohl das
Kraftfahrt-Bundesamt als auch das Bundesverkehrsministerium
verurteilt, relevante Dieselakten sowie Unterlagen zum CO2-Betrug der
Volkswagen AG offenzulegen. Mit Verfahrenstricks verzögern KBA und
BMVI jedoch die Veröffentlichung dieser entscheidenden
Dieselgate-Dokumente.
Zuletzt hatte die DUH vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin im
Frühjahr 2019 ein abschließendes Urteil erwirkt, das das
Bundesverkehrsministerium verpflichtet, vorliegende Unterlagen zu
falschen CO2-Emissionswerten bei 800.000 VW-Pkws der DUH
auszuhändigen. Seitdem wird die Herausgabe der Dokumente verzögert.
Dazu Resch: "Während amerikanische Behörden erfolgreich die
Hardware-Nachrüstung, beziehungsweise die Rückabwicklung des
Kaufvertrages durchsetzen und zudem alle Informationen
veröffentlichen, weigert sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer,
Recht und Gesetz zu beachten und den betroffenen Fahrzeughaltern
entscheidende Dokumente zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen in-
wie ausländische Dieselkonzerne zur Verfügung zu stellen."
Die DUH kritisiert zudem die Weigerung von Bundesregierung und
Industrie, den Käufern von Pkw-Neuwagen wesentliche Informationen zu
den Spritverbräuchen und CO2-Werten zur Verfügung zu stellen. Seit
September 2018 gilt in der EU das neue Prüfverfahren WLTP für die
Zulassung von Fahrzeugen. Die hier ermittelten Sprit- und CO2-Werte
fallen in der Regel höher und realitätsnäher aus, als es im
vorherigen NEFZ-Prüfverfahren der Fall war. Da sich die
Bundesregierung seit zwei Jahren aber weigert, diese
EU-Verbraucherschutzverordnung umzusetzen, verschweigen die
Hersteller die korrekten WLTP-Werte selbst bei Nachfragen der Kunden.
Erst mit Zusendung des Kfz-Steuerbescheids erfahren die Käufer, um
wieviel höher die Verbrauchs- und Klimagasemissionen sind und wie
hoch die zu zahlende Kfz-Steuer tatsächlich ist.
"Fahrzeugkäufer werden bei den Spritangaben erneut nach Strich und
Faden und abermals mit Erlaubnis der Bundesregierung getäuscht. Seit
zwei Jahren verpflichtet die entsprechende EU-Verordnung die
Hersteller zu diesen Angaben. Da aber das
Bundeswirtschaftsministerium diese Verordnung nicht in nationales
Recht umsetzt, können die Hersteller weiterhin ihre Kunden mit
unrealistisch niedrigen Verbrauchs- und damit Klimagasangaben
täuschen", so Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
der DUH.
Die deutschen Hersteller BMW, Daimler und VW hatten im Jahr 2010
der Bundesregierung bis zum Ende des Jahrzehnts eine Million E-Autos
versprochen. Tatsächlich sind zum 1.1.2019 erst 83.175 reine
Elektro-Autos zugelassen. Im Gegensatz dazu übersteigt in diesem Jahr
die Zahl der neu zugelassenen SUVs und Geländewagen erstmals die
Grenze von einer Million Fahrzeuge. Und deren Anteil soll weiter
steigen, von aktuell jedem dritten auf jedes zweite Neufahrzeug.
Während der VW-Konzern lautstark auf seinen ersten als Elektroauto
konzipierten ID.3 verweist, sieht die Modellplanung eine Erhöhung der
SUV-Modelle von derzeit 11 auf 30 binnen weniger Jahre vor.
Wie sehr die deutsche Automobilindustrie in Sachen E-Mobilität den
Anschluss an französische, asiatische und amerikanische Firmen
verloren hat, zeigt die weltweite Verkaufsstatistik des Jahres 2018.
Unter den 20 meistverkauften reinen E-Autos findet sich kein einziges
Modell eines deutschen Herstellers.
Wirklich stark sind BMW, Daimler und VW hingegen bei den
klimaschädlichen SUVs und Geländewagen. Von einem Nischenprodukt für
Revierförster und Militär ist dieses Segment durch eine auf den
"urbanen Lifestyle" ausgerichtete Werbung auf 551.000 Neuzulassungen
im ersten Halbjahr 2019 angewachsen. Als fatale Folge dieser falschen
Modellentwicklung steigen die Klimagasemissionen im zweiten Jahr in
Folge bei Neufahrzeugen in Deutschland wieder an. Am stärksten, um
vier Gramm pro Kilometer, bezeichnenderweise im Segment der
Diesel-Pkw. Diese Entwicklung ist angesichts der aktuellen Klimakrise
unverantwortlich und die einseitige Schwerpunktsetzung auf immer
größere und schwerere SUVs und Geländewagen gefährdet zudem die
Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland.
Will die deutsche Autoindustrie das verloren gegangenes Vertrauen
wiederherstellen, muss sie den angerichteten Schaden beseitigen, die
eingesetzte Betrugssoftware in allen Details offenlegen und endlich
korrekte Abgas- und Spritangaben machen. In einem 12-Punkte-Plan
listet die DUH die Maßnahmen von Politik, Industrie und Verbrauchern
auf, die notwendig sind, zu verhindern, dass der deutschen
Autobranche das gleich Schicksal wie einst Nokia droht.
Aus Sicht der DUH ist ein radikaler Kurswechsel in der
Modellpolitik sowie die kurzfristige Verabschiedung vom Verbrenner
wie in Norwegen binnen fünf Jahren erforderlich, um die verbindlichen
Klimaschutzziele zu erreichen und konkurrenzfähig zu bleiben.
Die DUH hofft, dass die Autokonzerne die breite Absage
internationaler Hersteller zur IAA genauso wie die Proteste der
Bürgerinnen und Bürgern ernst nehmen und radikal umsteuern. Gemeinsam
mit anderen Verbänden hat die DUH zu einer Demo am Samstag, den 14.
September, in Frankfurt aufgerufen, um den Forderungen der
Zivilgesellschaft Nachdruck zu verleihen.
Links:
- Fotos von der Protestaktion vor der IAA unter:
http://l.duh.de/p190911
- 12-Punkte-Plan zur Zukunft der Autoindustrie:
http://l.duh.de/p190911
- PM: "Deutsche Umwelthilfe gewinnt Klagen gegen das
Bundesverkehrsministerium: Ministerium muss Akten des
VW-Dieselskandals herausgeben": http://l.duh.de/p190329
- PM: "Deutsche Umwelthilfe obsiegt erneut vor Gericht gegen die
Bundesregierung - Kraftfahrt-Bundesamt muss Akteneinsicht in
VW-Dieselgate-Akte gewähren": http://l.duh.de/p180420d
- Mehr über Bündnis #ausstiegen und die Demo am 14. September:
www.iaa-demo.de
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
0170 7686923, metz@duh.de
DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe,
www.facebook.com/umwelthilfe, www.instagram.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
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