Rheinische Post: Kommentar /
Sextäter aus der Mitte der Gesellschaft
= Von Thomas Reisener
Geschrieben am 07-11-2019 |
Düsseldorf (ots) - Keine zwei Monate nach der Verurteilung der Kinderschänder
von Lügde wird das Land von einem neuen monströsen Fall von Kindesmissbrauch
erschüttert: Offenbar hat sich ein mutmaßlicher Täterring an mindestens neun
Opfern im Alter von einem bis zehn Jahren vergriffen. Teilweise waren die Opfer
die eigenen Kinder oder Stiefkinder der Verdächtigen. Diese sollen den
Missbrauch ihrer Kinder gefilmt und weiterverbreitet haben. Bei den neun
durchsuchten Gebäuden, acht davon in NRW, wurden neben Sexspielzeug und
Fesselmaterial auch Liebesbriefe in Kinderschrift gefunden. Wem solche
Nachrichten nicht das Herz zerreißen, der hat keins.
Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Fall von Lügde und dem neuen
Fall: Damals waren die Täter Menschen vom Rand der Gesellschaft, die in
vermüllten Wohnwagen hausten. Diesmal stammen die Verdächtigen aus der Mitte der
Gesellschaft. Familienväter und vielleicht auch -mütter, die teilweise sogar im
Staatsdienst arbeiten. Schon nach Lügde hatte Reul erschrocken festgestellt:
"Kinderpornografie ist zu einem Massenphänomen geworden". Der neue Fall scheint
zudem zu belegen, dass sich dieses Massenphänomen quer durch die Gesellschaft
zieht.
Im Angesicht der Ungeheuerlichkeit solcher Taten verbietet sich die Empfehlung
schneller Rezepte. Aber ein struktureller Gedanke drängt sich auf: Viele Täter
bleiben hinter den strengen Datenschutz-Auflagen unerkannt, die in Deutschland
gelten. Ermittler fordern zum Beispiel seit Langem die Vorratsdatenspeicherung,
die es ihnen leichter macht, kinderpornografisches Bildmaterial konkreten
Computern und damit Tätern zuzuordnen. Vielleicht müssen wir Abstriche beim
Datenschutz hinnehmen, um effizienter gegen Kinderschänder vorgehen zu können.
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Rheinische Post
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