Allg. Zeitung Mainz: Unkenrufe / Kommentar von Friedrich Roeingh zur SPD
Geschrieben am 06-12-2019 |
Mainz (ots) - Weg mit den Unkenrufen! Nein, die SPD strebt nicht aus der großen
Koalition. Nichtmal Kevin Kühnert, der wie alle anderen weiß, dass die SPD
aktuell gar nicht in der Lage ist, eine Neuwahl zu bestehen. Nein, das knappe
Mitgliedervotum für das neue Vorsitzendenduo hat den Parteitag nicht gespalten.
Nein, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind nicht die schillernden
Führungsfiguren, die man der SPD gewünscht hätte - Olaf Scholz hätte diese
Erwartung aber gewiss nicht besser erfüllt. Nein, das neue Duo steht auch nicht
für eine sozialistische Radikalisierung. Eine Abkehr von der Schuldenbremse,
eine massive Investitionsoffensive und höhere CO2-Preise fordern eher die
Mehrzahl als die Minderheit ernstzunehmender Ökonomen. Mit dem Verhallen der
Unkenrufe ist für die Sozialdemokratie allerdings noch nichts gewonnen. Ihre
Gefangenschaft in der Koalition mit CDU und CSU bleibt ihr Dilemma. Die eigene
Schwäche der CDU und ihrer Vorsitzenden werden verhindern, dass sie die SPD -
wider alle sachliche Vernunft - bei Nachverhandlungen punkten lässt. Vor allem
aber spielt die Zeit weiter denjenigen Parteien in die Karten, die purer wirken
und nicht den Ausgleich suchen. Punkten kann man in dieser Zeit mit Angst und
Schrecken (Modell AfD) oder mit charismatischem Optimismus (Modell Grüne). Für
die SPDbedeutet das, dass sie erst dann eine Chance zur Wiederbelebung erhalten
wird, wenn sie die GroKo durchlitten hat, wenn sie bei der nächsten Wahl ein
weiteres Mal abgestürzt sein wird, wenn sie einen leidenschaftlichen Kopf
gefunden hat. Wenn es dann nicht zu spät ist (Vorsicht, Unkenruf!).
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Allgemeine Zeitung Mainz
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