Weit weg von einer Klimakanzlerin / Von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 01-01-2020 |
Regensburg (ots) - Erst im milden Licht der Rückschau wurden die 1920er Jahre zu
den "Goldenen Zwanzigern" verklärt. Dass nach dem schrecklichen Ersten Weltkrieg
wieder gelebt, gefeiert, getanzt wurde - vor allem im amüsierwütigen Berlin -
konnte allerdings nicht über Unsicherheit, Instabilität, Hunger, Not, Inflation
und Arbeitslosigkeit hinwegtäuschen. Dies war der Nährboden dafür, dass die
erste halbwegs funktionierende Demokratie in Deutschland bald von einer
grausamen Diktatur hinweg gefegt werden konnte. Wie das gerade begonnene
Jahrzehnt der 2020er Jahre in die Geschichte eingehen wird, ist dagegen offen.
Man muss allerdings kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass der Kampf gegen
die Erderwärmung eine der wichtigsten politischen und gesellschaftlichen
Herausforderungen sein wird. Vermutlich sogar die Wichtigste. Angela Merkel hat
in ihrer Ansprache zum neuen Jahr nicht gesagt: Wir schaffen das. Diesen
leichtfertigen Satz vom Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hat sie aus
ihrem Repertoire verbannt. Doch zugleich hat die Kanzlerin versprochen, all ihre
Kraft einzusetzen, dass Deutschland seinen Beitrag leisten werde, um den
Klimawandel zu begrenzen. Das klang ja fast wie die Eidesformel, die Merkel als
Kanzlerin bereits vier Mal leisten durfte. Doch was ist ein solches hehres
Versprechen wert, das am Silvesterabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
zwischen Dinner for One und den diversen Jahresendshows ausgestrahlt wurde?
Nicht viel, wenn nicht noch viel entschlossener am Umbau zu einer klimaneutralen
Wirtschaft und Gesellschaft gearbeitet wird. Wohlfeile Neujahrsreden, die bald
nach ihrer Ausstrahlung vergessen sind, hatten wir schon genug. Es gab schon zu
viele solche Sonntagsreden, aber zu wenige wirkliche Konsequenzen, zu wenig
wirkliche Bewegung. Das Klimapaket von Merkels Bundesregierung war jedenfalls
nur ein Päckchen. Zum Glück haben die Länder über den Bundesrat noch etwas mehr
hineingepackt. Doch gemessen an dem, was die internationale Wissenschaft für die
nächsten Jahre und Jahrzehnte an Klimaanstrengungen fordert, ist auch dies
offenbar noch zu wenig. Im neuen Jahrzehnt können die Weichen für eine halbwegs
verkraftbare Begrenzung der Erderwärmung noch gestellt werden. Doch dies ist nur
eine Möglichkeit. Es könnte allerdings noch schlimmer kommen. Nämlich dann, wenn
weiterhin taktiert, auf Zeit gespielt, getrickst, nicht innovativ verändert
wird. Das hoch entwickelte Deutschland ist mit seinem großen wissenschaftlichen,
technischen und wirtschaftlichen Potenzial zum klimafreundlichen Umsteuern in
der Lage. Wir können das! Angela Merkel kann nach über 14 Jahren im Amt nun
allerdings wirklich nicht Klimakanzlerin genannt werden. Dazu ist die deutsche -
und damit ihre - Klima-Bilanz viel zu dürftig. Zwar wird jetzt wesentlich mehr
Ökostrom aus Wind-, Sonnen-, Biomasse- oder Wasserkraft erzeugt als vor Jahren.
Doch der Umbau zu den klimafreundlichen Energien wird über ein teures und
bürokratisches System betrieben. Merkels Wirtschaftsminister Peter Altmaier,
einst die "Allzweckwaffe" der Kanzlerin, erweist sich mit der gewaltigen Aufgabe
immer mehr als überfordert. Aber die Kanzlerin schaut nur zu und lässt den
Saarländer gewähren. Wirkliche Führung in der Klimapolitik sieht anders aus.
Zugleich schreckt Merkel offenbar auch davor zurück, den Menschen im Land klar
zu sagen, dass Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist, sondern auch in
vieler Hinsicht einschneidende Veränderungen nach sich ziehen wird. Von der
optimistischen, kraftvollen Vision einer klimafreundlichen Welt, die für
nachfolgende Generationen lebenswert erhalten werden muss, ist leider nicht die
Rede.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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