Jetzt ist Psychologie gefragt / Leitartikel von Jens Anker zur Kohle
Geschrieben am 16-01-2020 |
Berlin (ots) - Kurzform: Zusammen mit dem vielen Geld, das nun in die Lausitz
fließt, müsste ein ganzes Heer an Gute-Laune-Animateuren in die Region reisen,
um die Lausitzer aus ihrer emotionalen Negativspirale herauszureißen. So viel
Geld und gute Absichten sind noch selten in irgendeine Region Deutschlands
geflossen, um deren Zukunft zu gestalten.
Der vollständige Leitartikel: Es hat lange gedauert, aber nun herrscht
Gewissheit. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Bundesregierung und
die vier betroffenen Bundesländer auf einen Fahrplan zum Kohleausstieg
verständigt. Es gibt Planungssicherheit - auch über das zur Verfügung stehende
Geld, das der Bund für den Umbau der Kohleregionen bereitstellt. Insgesamt 50
Milliarden Euro sollen es sein. Damit griff der Bund noch einmal tief in die
Tasche. Im Kohlekompromiss vor einem Jahr waren 40 Milliarden Euro verabredet.
Den zentralen Satz der Einigung sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
(CDU) nach der Präsentation des Kompromisses. Die Verabredung sei ein "Beitrag
zur deutsch-deutschen Freundschaft". In den Verhandlungen war das ursprüngliche
Ziel, den entscheidenden Schritt zur Erreichung der Klimaziele zu erreichen,
etwas in den Hintergrund gerückt. Vielmehr rückte der Argwohn der Ost-Länder
Brandenburg und Sachsen-Anhalt in den Vordergrund, von den West-Ländern über den
Tisch gezogen zu werden. Sie befürchteten, dass ihre Kraftwerke früher
abgestellt werden sollen, damit die in Nordrhein-Westfalen länger laufen dürfen.
Doch nun ist klar: Der Westen fängt mit der Stilllegung der Kohlekraftwerke an,
der Osten folgt nach. Insgesamt verlangsamt sich der Ausstieg aus der Kohle
dadurch, was von Klimaaktivisten zu Recht beklagt wird. Tatsächlich wird nun
weniger klimaschädliches Kohlendioxid eingespart, als im Kohlekompromiss
verabredet. Für Brandenburg bedeutet das: Das schmutzigste Kraftwerk - zugleich
eines der größten in Deutschland - in Jänschwalde wird schrittweise zwischen den
Jahren 2025 und 2028 abgeschaltet, zuletzt geht das Kraftwerk Schwarze Pumpe
spätestens 2038 vom Netz. Sollte die Energiewende schneller gelingen, könnte
schon 2035 Schluss sein. Die ostdeutschen Betreiber, deren Verträge eigentlich
bis in die 2040er-Jahre laufen, erhalten im Gegenzug 1,75 Milliarden Euro
Entschädigung. Um den Strukturwandel in der Lausitz zu bewältigen, bekommt
Brandenburg pro Jahr etwa 573 Millionen Euro, insgesamt stehen 18 Milliarden
Euro bereit. Dazu kommt ein Universitätskrankenhaus in Cottbus und weitere
Bundeseinrichtungen. Das sollte reichen, um für die noch knapp 20.000
Brandenburger Kohlekumpel einen Weg in die Zukunft zu ebnen. Ohnehin ist Geld
das geringere Problem dabei. Vielmehr ist Psychologie gefragt, die teilweise
desaströse Stimmung im Süden Brandenburgs wieder etwas aufzuhellen. Schon seit
Jahren steht einerseits fest, dass die Laufzeit der Kohle endet, andererseits
genießt die Lausitz schon seit Jahren besondere Aufmerksamkeit der
Landesregierung. Aber alle Anstrengungen schlugen bislang fehl, so etwas wie
Zuversicht zu verbreiten. Stattdessen herrschen große Vorbehalte gegen die
Potsdamer Landes- und die Berliner Bundesregierung - gegen die EU sowieso. Wenig
hilfreich waren dabei die notorisch vorgebrachten Zusicherungen des
Brandenburger Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), die Brandenburger
Kohlekraftwerke würden noch weit bis in die 2040er-Jahre hinein laufen. Die
Enttäuschung über das nicht eingehaltene Versprechen des Landesvaters ist nun
umso größer. Zusammen mit dem vielen Geld, das nun in die Lausitz fließt, müsste
also ein ganzes Heer an Gute-Laune-Animateuren in die Region reisen, um die
Lausitzer aus ihrer emotionalen Negativspirale herauszureißen. So viel Geld und
gute Absichten sind noch selten in irgendeine Region Deutschlands geflossen, um
deren Zukunft zu gestalten.
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