Bundespräsident in Yad Vashem Ein Bekenntnis, das beschämen muss Sigrun Müller-Gerbes
Geschrieben am 23-01-2020 |
Bielefeld (ots) - Nein, er könne angesichts von Hass und Hetze leider nicht
sagen, Deutschland habe für immer aus der Geschichte gelernt: Das Bekenntnis,
das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Yad Vashem ablegt, muss uns alle
tief beschämen. Denn unser Staatsoberhaupt hat ja recht: Dieses Land wird dem
eigenen Anspruch des "Nie wieder" und des "Wehret den Anfängen" längst nicht
mehr gerecht. Jüdische Gemeinden raten ihren Mitgliedern, auf das Tragen der
Kippa zu verzichten; Synagogen sind verrammelt, um mörderische Täter wie den in
Halle aufzuhalten; in Gedenkstätten wie Buchenwald treten Neonazis immer frecher
auf; kommunale Amtsträger denken über Selbstbewaffnung nach oder geben ihr Amt
gleich ganz auf, weil sie sich und ihre Familien vom rechten Mob bedroht fühlen.
Und auch das aktuelle Verbot der Neonazi-Kampftruppe "Combat 18" ist weniger ein
Zeichen der wehrhaften Demokratie als eines des viel zu zögerlichen staatlichen
Handelns: Die potenziellen Rechtsterroristen hatten Monate Zeit, um sich auf das
Verbot vorzubereiten und Beweise zur Seite zu schaffen. Selbst die AfD, deren
rassistische Agenda in den vergangenen Jahren viel dazu beigetragen hat, dass
das in Deutschland einst nicht Sagbare plötzlich wieder lauthals herausgebrüllt
wird, hatte zuletzt ein Verbot der bewaffneten Truppe gefordert. All das
bedeutet nicht, dass sich Deutschland auf dem direkten Weg in eine neue Diktatur
befindet. Die Zivilgesellschaft heute ist sehr viel stärker und demokratischer
als zu Zeiten Weimars. Wenn 230 Neonazis in Bielefeld marschieren, dann stehen
14.000 Bürger dagegen. Aber, und auch damit hat der Bundespräsident recht: Es
ist dasselbe Böse, das uns in den menschenverachtenden Angriffen heutzutage
begegnet. Wir alle müssen uns ihm entgegenstellen, damit das Versprechen, das
Steinmeier in Yad Vashem gegeben hat, eingelöst wird: Deutschland werde weiter
den Antisemitismus bekämpfen, dem Gift des Nationalismus trotzen, solidarisch zu
Israel stehen. Dass Steinmeier dieses Versprechen abgegeben und zugleich nicht
verschwiegen hat, wie es um die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland steht,
macht seinen Auftritt so eindrucksvoll. Er hätte es dabei belassen können, die
deutsche Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen. Aber er hat deutlich
gemacht, dass es um die Verantwortung für die Gegenwart geht. Und dass wir alle
sie tragen.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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