Zentralrats-Präsident Schuster: Juden in Deutschland sind "erheblich verunsichert"
Geschrieben am 26-01-2020 |
Berlin (ots) - Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef
Schuster, sieht 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
erhebliche Bedrohungen für jüdisches Leben in Deutschland. Der Anschlag in Halle
habe "zu einer erheblichen Verunsicherung innerhalb der jüdischen Gemeinden"
geführt, sagte Schuster dem "Tagesspiegel am Sonntag". Zwar säßen Juden in
Deutschland heute nicht auf gepackten Koffern. "Aber man guckt jetzt, wo der
leere Koffer steht."
Der Angriff auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr habe "Versäumnisse der
Behörden offengelegt", sagte Schuster. "Spätestens nach dem Mord an dem Kasseler
Regierungspräsidenten Walter Lübcke hätte klar sein müssen, zu welchen Taten
Rechtsextremisten heute in Deutschland fähig sind." Der Zentralsrats-Präsident
wirft der Justiz einen zu nachlässigen Umgang mit antisemitischen Taten vor: "Es
gibt aus unserer Sicht eindeutig judenfeindliche Fälle, in denen die Justiz aber
keinen Antisemitismus erkennen kann", sagte Schuster dem "Tagesspiegel". Er habe
das Gefühl, dass "das Thema Antisemitismus in juristischen Kreisen als ein
bisschen lästig empfunden" werde. "Es kann nicht sein, dass ausgerechnet bei
antisemitischen Taten strafmildernde Überlegungen diskutiert werden, eine
schwere Jugend beispielsweise oder eine Fluchterfahrung", kritisierte Schuster,
der gerade auch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim
Holocaust-Gedenken in Jerusalem war. "So schrecken wir nicht ab." Zugleich wies
Schuster auf die Pläne der Bundesjustizministerin hin, das Strafgesetzbuch so zu
ändern, dass auch antisemitische Motive bei der Strafzumessung besonders
berücksichtigt werden. Er hoffe, dass diese Änderung "dann doch zu anderen
Urteilen" führe.
www.tagesspiegel.de/25473436.html
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