Charité-Chefvirologe warnt vor dramatischer Corona-Welle im Herbst
Geschrieben am 07-03-2020 |
Osnabrück (ots) - Charité-Chefvirologe warnt vor dramatischer Corona-Welle im
Herbst
Drosten: "Schlagartige Zunahme der Fälle mit schlimmen Folgen und vielen Toten"
- "Müssen mit Hochdruck mehr Kapazitäten an Intensivbetten schaffen" -
Kassenarztchef Gassen: "Niemanden verrückt machen"
Osnabrück. Charité-Chefvirologe Christan Drosten hat vor einer verheerenden
Corona-Welle nach dem Sommer gewarnt und fordert die sofortige Aufstockung der
Intensivbetten. "Im Herbst wird es kritisch, das ist klar. Dann wird es in den
Kommunen zahllose unerkannte Fälle geben, weil die Gefahr im Sommer aus dem
Blick gerät", sagte der Direktor der Charité-Virologie der "Neuen Osnabrücker
Zeitung" (NOZ). Die Ansteckungsgefahr steige dramatisch. "Ich erwarte dann eine
schlagartige Zunahme der Corona-Fälle mit schlimmen Folgen und vielen Toten."
"Wir müssen jetzt mit Hochdruck mehr Kapazitäten an Intensivbetten schaffen,
sonst wird es zu schwierigen Entscheidungen kommen", verlangte Drosten. Zwar
gebe es in Deutschland 28.000 Intensivbetten, erklärte Drosten weiter. Diese
seien aber zu über 80 Prozent belegt und könnten nicht in ausreichender Zahl
frei gemacht werden. "Wen wollen wir dann retten, einen schwer kranken
80-Jährigen oder einen 35-Jährigen mit einer rasenden Viruspneumonie, der binnen
Stunden sterben würde und bei künstlicher Beatmung binnen vier Tagen über den
Berg wäre?", fragte Drosten. "Vieles spricht dafür, dass es solche Fälle geben
wird, in denen auch in Hubschrauberreichweite kein Gerät bereit wäre", erklärte
der Experte und betonte: "Das ist kein Alarmismus, der mir manchmal vorgeworfen
wird. Das sind keine Horrorszenarien, sondern wird Realität werden, wenn es zu
einer schnellen Ausbreitung kommt."
Mit Blick auf Aussagen, Deutschland sei bestens ausgerüstet, sagte der
Charité-Virologe: "Es ist nicht mehr angebracht, die Lage zu verharmlosen. Wir
stehen vor einer bislang nicht gekannten Bedrohungslage und können nicht
absehen, was das bedeutet. Wir haben jetzt noch etwas Zeit für Planungen und
Investitionen, die wir nicht vertrödeln dürfen. Wir müssen verdammt aufpassen."
Kassenarztchef Andreas Gassen sagte hingegen der NOZ: "Es gibt weltweit keine
28.000 schwer kranken und beatmungspflichtigen Corona-Patienten! Daher sollte
auch mit Blick auf den Herbst niemand verrückt gemacht werden." Der
Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ergänzte: "Es
wäre medizinisch blanker Unfug, sich für jede theoretische Eventualität maximal
zu wappnen. Sollen es 40.000 Beatmungsbetten sein oder 50.000? Dafür haben wir
nicht das Personal. Und dafür haben wir nicht das Geld. Und wir brauchen es auch
nicht."
Er rate dazu, "einen kühlen Kopf zu bewahren", sagte Gassen. Es gelte, aus der
Corona-Epidemie Lehren zu ziehen, und das heiße: "Wir müssen die
Informationsflüsse und die Kommunikation optimieren und etwa bei
Schutzausrüstungen für medizinisches Personal Vorräte anlegen. Da sitzen wir
dran. Und darum kriegen wir das hin."
Klaus F. Rabe, Vorstandsmitglied und Expräsident der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), sieht hingegen wie Drosten
Handlungsbedarf. "Wir sollten uns auf den Herbst vorbereiten und alle Prozesse
auf den Prüfstand stellen. Für einen größeren Ausbruch sind wir nicht gut
vorbereitet, sonst dürften die noch relativ geringen Zahlen nicht zu solchen
Problemen führen", sagte der Lungenarzt der NOZ.
Aus Sicht des DGP-Vorstandes muss das Coronavirus "ein Schuss vor den Bug" sein.
"Unser Gesundheitssystem ist extrem auf Kante genäht. Maximale Effizienz und
Vollbelegung werden zur Voraussetzung des Überlebens für Krankenhäuser. Es gibt
keine Puffer mehr, von der personellen Besetzung bis zu Lieferketten, was jetzt
schon zu Engpässen führt", sagte er. Die Perspektive, dass plötzlich sehr viele
Patienten zur gleichen Zeit behandelt werden müssten, erfülle ihn "mit Sorge",
sagt Rabe. "Schon jetzt knatscht es rechts und links."
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Telefon: +49(0)541/310 207
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