Russland bin ich: Wladimir Putin will sich ein quasi monarchisches Erbamt schaffen/ Leitartikel von Ulrich Krökel
Geschrieben am 10-03-2020 |
Regensburg (ots) - Nun also ist die Katze aus dem Sack. Wladimir Putin will über
2024 hinaus russischer Präsident bleiben. Anders war seine Erklärung am Dienstag
nicht zu verstehen, er trete für eine Verfassungsänderung in diesem Sinn ein.
Genauer gesagt soll ein erneuertes Grundgesetz her. Auf dieser Basis dürfe dann
bei künftigen Präsidentenwahlen niemand ausgeschlossen werden, forderte der
Kremlchef. Also auch er selbst nicht. Deshalb sollen alle früheren Amtszeiten
"annulliert" werden. Die Einschränkungen, die Putin bei seinem Auftritt vor der
Staatsduma machte, lassen sich getrost als politische Folklore abtun, als
Verfahren gespielter Demokratie. Das gilt sowohl für den Hinweis, das letzte
Wort hätten die Bürger in einem Referendum, als auch für die Anrufung des
Verfassungsgerichts. Dass die Justiz bis hin zur höchsten Instanz aus dem Kreml
gelenkt wird, ist ein offenes Geheimnis in Russland. Ebenso unstrittig ist, dass
Putin sowohl über die Popularität als auch über die machttechnischen Mittel
verfügt, um jede Wahl und jedes Referendum zu gewinnen. Alles deutet also darauf
hin, das Putin sich ein quasi-monarchisches Erbamt schafft. Denn die laufende
Operation Machterhalt ließe sich ja beliebig oft wiederholen. Und der Glaube
daran, dass der 67-jährige Putin eines fernen Tages in fortgeschrittenem Alter
von seiner Alleinherrschaft ablassen könnte, dürfte angesichts dieses jüngsten
Handstreichs auch in Russland gegen null tendieren. Das aber heißt, dass Putin
nun tatsächlich zu jenem Zaren mit absolutistischem Ewigkeitsanspruch aufsteigt,
den die meisten politischen Analysten längst in ihm sehen. Der Staat bin ich,
hieß das bei Ludwig XIV. Putin bekannte sich am Dienstag kaum verklausuliert zu
dem Wahlspruch: Russland bin ich. Die Menschen im Land wünschten seinen Verbleib
im Amt, erklärte er, als müsste er sich für das Schicksal der Nation opfern.
Vielleicht sieht er das sogar wirklich so. Andeutungen in dieser Richtung hat er
schon des Öfteren gemacht. Wichtiger allerdings ist die Frage, ob Putins
Festhalten am höchsten Staatsamt ein Zeichen seiner Stärke ist oder nicht doch
eher das Symptom einer Systemschwäche. Viel spricht für Letzteres. Es wurde ja
nicht ohne Grund lange darüber spekuliert, dass Putin 2024 in die Kulissen
zurücktreten könnte, um aus dem Hintergrund heraus die Geschicke des Landes so
lange weiter zu lenken, bis ein würdiger Nachfolger aufgebaut wäre. Dieser
sollte dann Putins Erbe sichern, im Zweifel auch über dessen Tod hinaus. Nun
aber ist klar: Es funktioniert nicht. Russland ohne Putin funktioniert nicht. Da
aber auch ein Putin nicht ewig leben wird, erscheint die Zukunft des Landes in
diesem März 2020 unsicherer denn je. Das belegen im Übrigen auch die weiteren
geplanten Verfassungsänderungen. Die Machtbefugnisse des Präsidenten sollen
sogar noch ausgebaut werden. Dazu treten ein Gottesbezug, die Festschreibung der
Ehe als Bund von Mann und Frau und die Rolle der Russen als staatstragendes Volk
in dem multiethnischen Riesenreich. Das sind lauter nationalkonservative
Regelungen, die Stabilität und Sicherheit deutlich höher bewerten als Freiheit,
Fortschritt und modernen Innovationsgeist. Hinzu kommt: Russisches Recht sticht
internationales Recht. Das wird noch einmal ausdrücklich betont. Es ist kein
Zufall, dass Wladimir Putin den Vorschlag für die Verfassungsreform am kommenden
Mittwoch unterzeichnen will, dem sechsten Jahrestag der Krim-Annexion. "Russland
kann sich nur auf sich selbst verlassen", lautet einer von Putins politischen
Leitsätzen. Das kommt nicht so großspurig daher wie Donald Trumps "America
first". Eine Absage an jede Form von Multilateralismus ist es aber gleichwohl.
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