Josef Schuster: Bin nicht überzeugt, dass die Deutschen es verstanden haben
Geschrieben am 07-05-2020 |
Osnabrück (ots) - Josef Schuster: Bin nicht überzeugt, dass die Deutschen es verstanden haben
Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg - Präsident des Zentralrats der Juden besorgt
Osnabrück. 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Zweifel daran geäußert, dass die Deutschen hinreichende Lehren aus der Vergangenheit gezogen hätten. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) sagte Schuster, wer in Deutschland Regierungsverantwortung trage, der wisse um die andauernde Verantwortung aus der Nazizeit. "Wenn wir Deutschland aber interpretieren als Staat mit all seinen Bewohnern und uns fragen, ob sie das ebenfalls verstanden und aus der Geschichte gelernt haben, so muss ich sagen, dass ich davon nie überzeugt war und es in der heutigen Zeit erst recht nicht bin", sagte der Zentralratspräsident.
Schuster zeigte sich besorgt, dass ein gewisses Maß an Antisemitismus ein dauerhafter Fakt zu sein scheine. Hinzu käme eine gefährliche Geschichtsvergessenheit. "Sie ist gerade bei jüngeren Menschen nicht zu leugnen. Für sie ist der Zweite Weltkrieg gedanklich ähnlich weit entfernt wie das Kaiserreich; ein aktueller Bezug ist nicht mehr gegeben. Wenn rund die Hälfte der Jugendlichen den Begriff "Auschwitz" nicht kennt, läuft etwas schief", beklagte er. Gleichwohl sagte Schuster der "NOZ", es lasse sich heute in Deutschland gut leben - "auch als Jude". Viele Juden stünden auch außerhalb des Gemeindelebens zu ihren Wurzeln und bereicherten das Land. "Darüber freue ich mich, wenn Menschen wie Marina Weisband oder Oliver Polak in Politik und Kultur eine wichtige und ganz selbstverständliche Rolle spielen", sagte Schuster mit Blick auf das heutige jüdische Leben in Deutschland.
Nach der Kapitulation des Deutschen Reichs am 8. Mai 1945 lebten noch Hunderttausende Juden in Deutschland, viele als befreite Insassen aus den Konzentrationslagern. Die Zahl jüdischer Gemeindeglieder sank dann rasch auf einen Tiefststand von rund 30.000 in den 1980er-Jahren, bevor viele Juden als Flüchtlinge aus der Sowjetunion nach Deutschland kamen. Die Zahl aktueller Gemeindemitglieder gab Schuster mit rund 100.000 an. "Im Moment sehen wir einen jährlichen Rückgang von 700 bis 800. Die demografische Struktur ist da nicht ganz optimal."
Schuster sprach sich dafür aus, die Antisemitismusforschung in Deutschland zu stärken. Unter anderem gehe es darum, Lehrern ein besseres Rüstzeug an die Hand zu geben. "Fragen Sie mal einen Lehrer, was er machen würde, wenn ein Schüler auf dem Schulhof einen anderen als Jude beschimpft. Wenn die Lehrer ehrlich sind, werden viele sich nicht zu helfen wissen und darüber hinweggehen."
_____________________________________________________________________
Corona-Schutz: Zentralrat der Juden spricht sich für Lockerungen aus
Warnung vor gesundheitlichen Folgen abseits von Covid-19 - Lob für Söder
Osnabrück. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat das Handeln der Politik in der Corona-Krise gelobt und sich zugleich für fortdauernde Lockerungen ausgesprochen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) sagte Schuster, "das entschiedene Handeln von Bund und Ländern war nach meinem Eindruck absolut richtig. Die Erfolge geben den Maßnahmen recht." Aktuell sei er bei einem entsprechenden Verlauf der Infektionszahlen allerdings dafür, "dass es zu weiteren Lockerungen der Einschränkungen kommt". Soziale Distanz sei auf Dauer riskant. "Die psychischen Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen", sagte Schuster.
Schuster ist in Würzburg als Internist tätig. In seine Praxis und in die von Kollegen kämen derzeit deutlich weniger Patienten als üblich. "Es wäre sinnvoll, die Menschen darauf hinzuweisen, dass wenig gewonnen wäre, wenn wir bei Corona Todesfälle verhindern, dafür aber gesundheitliche Probleme vernachlässigt werden, die ebenfalls gravierende Folgen haben können", sagte er.
Namentlich lobte Schuster den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). "Er hat beherzt reagiert, und auch wenn ich am Anfang etwas erschrocken war, wie weit er ging, so lag er doch richtig."
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/58964/4590634
OTS: Neue Osnabrücker Zeitung
Original-Content von: Neue Osnabrücker Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
732088
weitere Artikel:
- BER-Chef wehrt sich gegen Vorwurf der Insolvenzgefahr Berlin (ots) - Der Berliner Flughafen-Chef Engelbert Lütke Daldrup hat am Mittwoch Meldungen zurückgewiesen, wonach der BER ein Sanierungsfall sei.
Eine Studie dreier Wirtschaftsexperten war jüngst zu diesem Ergebnis gekommen. Laut Studie betrage der Mehrbedarf der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) mindestens 1,5 Milliarden Euro bis 2023. Ansonsten drohe eine Insolvenz.
Lütke Daldrup kritisierte die Studie im rbb-Fernsehen deutlich. "Die Grundannahmen und Prämissen dieser Studie sind dilettantisch falsch", sagte mehr...
- Michael Müller (SPD): Kita-Betreuung in Berlin schrittweise auf 70 Prozent Berlin (ots) - In Berlin soll die Kita-Betreuung schrittweise ausgeweitet werden.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte am Donnerstag im Inforadio vom rbb, mittlerweile sei man in Berlin "bei einer Versorgung von 40 Prozent des Normalbetriebes, und wir gehen jetzt schrittweise auf 70 Prozent". Dazu würden kleinere Gruppen gebildet oder zeitversetztes Betreuen angeboten. Damit sei Berlin "schon sehr viel weiter als andere Bundesländer", betonte Müller: "Für die wurde gestern (...) erstmal formuliert, dass alle mit der Notbetreuung mehr...
- 75 Jahre Kriegsende: Juncker warnt vor Re-Nationalisierung / EZB-Urteil freue Ungarn und Polen Berlin (ots) - Einen Tag vor dem 75. Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai hat der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor einer Re-Nationalisierung gewarnt.
Im Inforadio vom rbb sagte er am Donnerstag, in der Anfangsphase der Corona-Krise habe es diesen Hang im Denken und Handeln gegeben; das schmerze ihn sehr: So habe "jedes Land sein eigenes Corona-Süppchen gekocht, statt sich mit den Nachbarn abzusprechen. Es ist ein normaler Reflex geworden."
Es sei "erstaunlich, dass die Binnengrenzen in Europa wieder geschlossen werden", mehr...
- EU-Terminvorschau vom 5. bis 16. Mai 2020 Berlin (ots) - Die EU-Terminvorschau ist ein Service der Vertretungen der EU-Kommission in Deutschland für Journalisten. Sie kündigt vor allem Termine der EU-Kommission, des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofes mit besonderer Bedeutung für Deutschland an.
Bitte beachten Sie: Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus in Europa sind kurzfristige Änderungen für alle geplanten Treffen und Veranstaltungen zu erwarten. Dies gilt neben logistischen Details auch für die Inhalte und Tagesordnungen. mehr...
- Welthungerhilfe und terre des hommes stellen neuen "Kompass 2020" zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik vor Berlin/Osnabrück (ots) - Die Corona-Krise stellt die Entwicklungspolitik vor neue Anforderungen. Die Welthungerhilfe und terre des hommes stellen am Freitag, 15.5., den neuen Kompass 2020 zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik vor. Darin werden die aktuellen Vorschläge zur Unterstützung der Länder des Südens bewertet. Der Bericht gibt außerdem Empfehlungen zur Stärkung der Kinderrechte in der deutschen Entwicklungspolitik und beschreibt auf Basis der Erfahrungen in Projektländern, wie Hunger immer mehr zum Instrument der Kriegsführung mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|