Start-up-Ökosystem / "Chance nutzen, um gestärkt in die Zukunft zu gehen" (FOTO)
Geschrieben am 10-06-2020 |
Frankfurt am Main (ots) - Das Deutsche Börse Venture Network wurde 2015 gegründet, um Start-ups besser mit Wachstumskapital zu versorgen. Es erleichtert Unternehmen von der frühen bis zur späten Wachstumsphase Zugang zu Kapital und bietet dazu maßgeschneiderte Services. Am 11. Juni wird das Netzwerk fünf Jahre alt. Im Interview erklärt Peter Fricke, der das Deutsche Börse Venture Network leitet, wie sich das Ökosystem entwickelt hat, wo Start-ups weiterhin Unterstützung brauchen und welche Auswirkungen die Corona-Pandemie hat.
Herr Fricke, das Deutsche Börse Venture Network wurde 2015 in enger Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium gestartet, um die Finanzierung von Wachstumsunternehmen in Deutschland zu stärken. Was hat sich seitdem getan?
Als wir 2015 angetreten sind, eine vorbörsliche Plattform für Wachstumsfinanzierung aufzubauen, war der Standort vor allem durch e-Commerce Unternehmen und erhebliche Finanzierungslücken geprägt. Seitdem hat sich im Ökosystem eine ganze Menge getan. Die Business-Modelle sind komplexer geworden und vor allem in den Bereichen Software/Analytics, Fintech und Mobilität genießt Deutschland internationale Aufmerksamkeit. Auch Kapital ist zunehmend vorhanden, die Venture Capital (VC) Finanzierungen in Deutschland haben sich in den letzten fünf Jahren mit rund 6 Mrd. Euro mehr als verdoppelt, jedoch nicht zuletzt durch ausländische Kapitalgeber. Zudem gab es viele positive Impulse, sowohl von Seiten der Wirtschaft als auch durch die Politik, etwa über die dritte Fondsgeneration des High-Tech Gründerfonds oder die Neugründung der KfW Capital. Insgesamt zeigt sich, dass die Aufmerksamkeit der Politik für die Gründerszene in Deutschland sehr stark gestiegen ist. Schließlich hat das nun viele Jahre andauernde positive Geschäftsklima auch zu vermehrten Exits bei Start-ups geführt. Viele dieser ehemaligen Gründer sind heute wieder als Business Angel oder VC-Investor aktiv - so wird das Geld wieder zurück in den Kreislauf gegeben. Gerade für Gründer in frühen Finanzierungsphasen ist also viel erreicht worden.
Welche Bilanz ziehen Sie nach fünf Jahren Venture Network?
Wir sind 2015 mit knapp 70 Mitgliedern gestartet und seitdem sehr rasant gewachsen. Heute umfasst das Deutsche Börse Venture Network über 200 Start-ups und 400 Investoren, insgesamt also über 600 Mitglieder. Als Plattform für Wachstumsfinanzierung begleiten wir die Unternehmen in unserem Netzwerk während der gesamten Reise ihres Wachstumspfades. Die 200 Wachstumsunternehmen aus unserem Netzwerk sind mittlerweile in über 30 Ländern aktiv und beschäftigen dabei über 25.000 Mitarbeiter. Seit 2015 haben die Unternehmen über 3,6 Mrd. Euro an Kapital aufgenommen. Auf Seite der Investoren ist es uns gelungen, die gesamte Bandbreite der relevanten Investorenklassen abzubilden. So umfasst unser Netzwerk Zugang zu über 400 Investoren aus den Bereichen Venture Capital, Private Equity, Venture Debt, Family Offices und Corporates. Und was mich besonders freut ist, dass bereits sieben Unternehmen aus unserem Venture Network an die Frankfurter Börse gegangen sind und ihren Wachstumspfad über den Kapitalmarkt weiter ausbauen konnten. Mit weiteren sehr vielversprechenden Börsen-Kandidaten sind wir in engem Kontakt. Ein weiterer Meilenstein war, dass wir unser Netzwerk, das ursprünglich auf spätphasige Unternehmen ausgerichtet war, seit 2017 auch für frühphasige Wachstumsunternehmen, ab einem Jahresumsatz von mehr als einer Million Euro, geöffnet haben. Das starke Interesse spiegelt sich dabei auch in unseren Investoren-Roadshows wider, über die wir in den vergangenen Jahren unsere Start-ups mit Investoren zusammengebracht haben - übrigens nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in China.
Was hat sich auf der Investorenseite verändert?
Grundsätzlich kann man sagen, dass gerade die größeren Finanzierungsrunden in Deutschland fast ausschließlich von Investoren aus den USA oder dem asiatischen Raum gestemmt werden, wenngleich auch in Deutschland zunehmend Kapital vorhanden ist. Gerade in den letzten Jahren sind in Deutschland viele neue VC-Fonds hinzugekommen, die primär auf frühphasige Start-ups spezialisiert sind. Auch Co-Investments nehmen zu, d. h. Kapitalsammelstellen, Versicherungen und Family Offices sind verstärkt an direkten Beteiligungen an jungen Technologieunternehmen interessiert, wir merken allerdings, dass im Vergleich zu anderen Investorengruppen hier noch mehr Expertise aufgebaut werden muss. Weiter beobachten wir eine größere Bereitschaft der Investoren, digitale Formate einzusetzen, um neue potenzielle Beteiligungen zu identifizieren, bis hin zur Nutzung von Plattformen für Sekundärtransaktionen, gerade in den USA. Ich gehe davon aus, dass sich diese Tendenzen durch die Corona-Pandemie weiter verstärken werden. Dies sind beides Entwicklungen, die wir als Venture Network eng begleiten.
Stichwort Corona-Pandemie: Welchen Einfluss hat die auf die Wachstumsfinanzierung?
Corona trifft das Start-up-Ökosystem sehr stark. Besonders hart ist die aktuelle Situation natürlich für Start-ups in den Bereichen Travel, Real Estate und Sports/Wellness. Für Unternehmen dieser Branchen ist es besonders schwierig, gerade wenn sie die für 2020 geplante Finanzierungsrunde nicht zurückstellen oder etwa durch eine kleinere interne Runde mit Bestandsinvestoren ersetzen können. Entscheidend sind hier jetzt die nächsten Monate, in denen wir hoffentlich keinen Ausfall von kleinen oder großen Hoffnungsträgern zu beklagen haben. Hier kann die Corona-Matching-Fazilität von KfW Capital und dem europäischen Investitionsfonds EIF einen wichtigen Beitrag leisten. Was wir außerdem sehen: Die Wagniskapitalgeber unterstützen aktuell noch intensiver ihre Portfoliounternehmen und sind in noch engerem Kontakt mit ihren eigenen Geldgebern. Investments in neue Beteiligungen verzögern sich dadurch erheblich oder werden im schlimmsten Fall komplett ausgesetzt. Viele Investoren erwarten daher, dass sich die Zahl neuer Investments im zweiten Quartal um fast die Hälfte reduzieren wird. Dies war eines der zentralen Ergebnisse unserer kürzlich veröffentlichten Befragung, dem VC Investoren-Sentiment. Neue Finanzierungsrunden sind also nicht unmöglich, aktuell aber deutlich härter.
Was raten Sie Start-ups in der aktuellen Situation?
Wichtig ist vor allem, dass die Fundraising-Strategie und der Zeitplan an die aktuelle Situation angepasst werden. Für Gründer ist es essenziell, dass sie die Tragweite der Situation verstehen. Hierzu sollten sie die Auswirkungen auf das eigene Venture, auf VC-Investoren, aber auch auf die Gesellschaft und Wirtschaft reflektieren. Dafür ist der persönliche Kontakt zu Investoren und Multiplikatoren entscheidend. Sie müssen ihre Anpassungen am Business-Plan erklären, das zeigt Investoren, dass sie die Situation verstanden haben und reagieren. Zudem finden Investoren-Pitches zurzeit fast ausschließlich virtuell statt. Dazu haben wir im Venture Network verschiedene Online-Formate gestartet, bei denen es auch darum geht, Start-ups bestmöglich auf diese veränderte Situation vorzubereiten. Außerdem beobachten wir eine erhöhte Nachfrage nach individueller Beratung bei uns im Netzwerk.
Rächt es sich jetzt, dass wir in Deutschland vor lauter Risikoaversion keine ausgeprägte Gründerkultur haben?
Beim Thema Gründerkultur besteht hierzulande definitiv noch Luft nach oben. Das fängt in den Schulen und Universitäten an. Wichtig ist, dass wir heute bereits bei jungen Leuten die richtigen Impulse setzen, damit sie sich mit wichtigen Themen wie Unternehmensgründung und auch der Funktion des Kapitalmarkts auseinandersetzen. Aber wenn es um Risikoaversion geht, sind nicht nur die Gründer wichtig - es braucht selbstverständlich auch mutige und gut ausgebildete Mitarbeiter, die bereit sind, an einer zukunftsweisenden Technologie mitzuarbeiten und auf lukrative und vermeintlich sichere Jobangebote aus dem Banken-, Automobil- und Beratungsbereich zu verzichten. Hier müssen mehr Anreize für junge Leute geschaffen werden, damit sie sich für einen Start bei jungen Technologieunternehmen entscheiden, zum Beispiel über attraktive Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. Sie müssen noch stärker an der Entwicklung und am Erfolg teilhaben. Die Vorhaben zur Verbesserung dieser Rahmenbedingungen im jüngst verabschiedeten Konjunktur- und Investitionsprogramm der Bundesregierung ist daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Hier kommt es jetzt auf eine wirkungsvolle Ausgestaltung und Umsetzung an.
Damit lässt sich an der aktuellen Krise doch gut ablesen, wie stabil unser Ökosystem wirklich ist.
Nein, das sehe ich nicht so. Die Corona Krise ist so umfassend, wie keine Krise vorher. Selbst sehr gut etablierte Start-ups kommen zum Teil an die Grenzen - da geht es diesem Bereich der Wirtschaft nicht anders als anderen Playern in Industrie und Mittelstand. Das, was in den letzten Jahren geschaffen wurde, ist es aber definitiv wert, erhalten zu bleiben. Wir sollten nicht den gleichen Fehler machen, den wir in und nach der Dotcom-Krise begangen haben. Denn da haben wir es verpasst, in Deutschland einen Nährboden für innovative Technologieunternehmen zu schaffen. Nun sind einzelne amerikanische Tech-Giganten mehr wert als der gesamte DAX und US-Start-ups fliegen Nasa-Astronauten ins All. Das sind die Dimensionen, in denen wir denken müssen. Wir müssen das vorhandene Potential jetzt nutzen und fördern - the sky is no longer the limit!
Mit dem Deutsche Börse Venture Network leistet die Deutsche Börse einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Ökosystems für Wachstum in Deutschland. Mit einem speziell entwickelten und auf Gründer und Investoren abgestimmten Angebot aus Investorenveranstaltungen, Trainings und Networking-Events möchte das Wachstumsnetzwerk einen spürbaren Unterschied für die Finanzierungs-situation von jungen, aufstrebenden Unternehmen in Deutschland und Europa erreichen. Mehr Informationen finden sie hier (https://www.venture-network.com/dbvn-de/) .
Pressekontakt:
Josefin Altrichter
+49-(0) 69-2 11-1 60 75
media-relations@deutsche-boerse.com
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/31512/4619092
OTS: Deutsche Börse AG
ISIN: DE0005810055
Original-Content von: Deutsche Börse AG, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
736318
weitere Artikel:
- Start einer neuen Delegate-Destination-Website, die Planern beim Werben für ihre bevorstehenden Veranstaltungen hilft Melbourne, Australien (ots/PRNewswire) - Dank der neuen digitalen Marketingseite des Melbourne Convention Bureau (MCB), die Planern und professionellen Konferenzveranstaltern helfen soll, Melbourne und Victoria bei Delegierten, die an künftigen Tagungen teilnehmen, zu bewerben, ist es jetzt viel einfacher, unvergessliche Geschäftsveranstaltungen in einer COVID-19-Geschäftsumgebung zu schaffen.
Die Delegate Destination Site (https://www.melbournecb.com.au/welcome-to-melbourne/) bietet Veranstaltungsplanern relevante Inhalte und Ressourcen zur mehr...
- ManpowerGroup Arbeitsmarktbarometer: Corona-Krise erreicht den Arbeitsmarkt / Beschäftigungsausblick auf Zehn-Jahrestief / Neun Prozent der deutschen Arbeitgeber planen Personalabbau Frankfurt am Main (ots) - Der Arbeitsmarkt in Deutschland strauchelt in der Corona-Krise, zeigt das aktuelle ManpowerGroup Arbeitsmarktbarometer, für das im April weltweit über 34.000 Arbeitgeber befragt wurden. Der saisonbereinigte Netto-Beschäftigungsausblick* für das dritte Quartal 2020 fiel auf den niedrigsten Wert seit zehn Jahren und liegt nun bei +1 Prozent. Gegenüber dem Vorquartal beläuft sich das Rekord-Minus auf elf Prozentpunkte. Bei der vorangegangenen Arbeitgeberbefragung im Januar spielte Corona noch keine Rolle.
+++ Die Studienergebnisse mehr...
- Energy Efficiency Award 2020: Bewerbungsfrist bis 30. Juni verlängert Berlin (ots) -
- dena sucht Erfolgsprojekte und Konzepte - einfache Onlinebewerbung
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) verlängert den Bewerbungszeitraum für den Energy Efficiency Award 2020: Neuer Stichtag ist der 30. Juni 2020. Die Auszeichnung wird von der dena jährlich an herausragende Energieeffizienzprojekte in Unternehmen vergeben und ist mit Preisgeldern von insgesamt 30.000 Euro dotiert. Bewerben können sich Unternehmen jeglicher Größe und Branche aus dem In- und Ausland digital unter http://www.EnergyEfficiencyAward.de .
Im Fokus mehr...
- OPPO wird das erste Platinum-Mitglied des OpenChain Project vom Festlandchina; es unterstützt Bemühungen, OpenChain zu einem ISO-Standard für Open-Source-Compliance zu machen San Francisco (ots/PRNewswire) - Im Mai 2020 wurde OPPO in San Francisco offiziell Platinum-Mitglied im OpenChain Project. OPPO ist das erste Unternehmen vom Festlandchina, das dem OpenChain Project beitritt, welches Branchenführer aus anderen Ländern und Regionen wie Google, Microsoft, Toyota, BOSCH und viele weitere vereint. Durch die Beteiligung an der Entwicklung des Open-Source-ISO-Standards wird OPPO den Aufbau eines größeren, global angepassten Open-Source-Ökosystems unterstützen.
Das OpenChain Project gehört zur Stiftung The Linux Foundation mehr...
- BAUINDUSTRIE in Sorge über Entwurf der Mantelverordnung /Negative Auswirkungen auf Baupraxis, höhere Kosten und Engpass bei Deponiekapazitäten befürchtet Berlin (ots) - "Sollte der aktuelle Entwurf der Mantelverordnung beschlossen werden, rechnen wir mit negativen Auswirkungen auf das praktische Baugeschehen, höheren Baukosten und einem höheren Bedarf an Deponiekapazitäten," so kommentierte Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer der BAUINDUSTRIE, die Verkündung des Bundesumweltministeriums, am Regierungsentwurf festzuhalten und damit den Weg für die Beratungen im Bundesrat nach der parlamentarischen Sommerpause freizumachen. "Das Ziel, die Kreislaufwirtschaft zu fördern, wird die Verordnung nicht erreichen, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|