Ethikrat fordert stärkere Achtung des Tierwohls in der Nutztierhaltung
Geschrieben am 16-06-2020 |
Berlin (ots) - In seiner heute veröffentlichten Stellungnahme fordert der Deutsche Ethikrat erhebliche Reformen, um künftig Mindeststandards eines unter ethischen Gesichtspunkten akzeptablen Umgangs mit Nutztieren zu erreichen.
Das Verhältnis von Mensch und (Nutz-)Tier ist durch eine Grundspannung gekennzeichnet: Das Wohlergehen und die Rechte von Tieren sind in den letzten Jahren in Deutschland zunehmend zum Thema öffentlicher Debatten geworden. Die gesellschaftliche Akzeptanz für viele Praktiken in der Nutztierhaltung sinkt. Das geltende Recht enthält zumindest vordergründig strenge Tierschutzvorgaben. Dennoch werden Nutztieren unter den gängigen Zucht-, Haltungs-, Schlacht- und Verwertungsbedingungen oft routinemäßig Schmerzen und Leid zugefügt. Reformbemühungen betreffen lediglich Teilaspekte und/oder verlaufen im Sande.
In seiner Stellungnahme "Tierwohlachtung - Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren" prüft der Deutsche Ethikrat, inwieweit sich bereichsbezogen festzustellende rechtliche wie tatsächliche Unklarheiten und Inkohärenzen mithilfe einer rationalen ethischen Reflexion reduzieren lassen. Hierzu arbeitet er konsensfähige Grundvorgaben tierethischer Überlegungen heraus und entwickelt darauf aufbauend Eckpunkte für eine ethisch verantwortliche Nutztierhaltung, aus denen sich Bedarf für einen umfassenden Strukturwandel in der Nutztierhaltung ergibt.
Im Mittelpunkt steht dabei die Überlegung, dass jedenfalls höher entwickelte Tiere einen "Eigenwert" haben. Dieser führt zu ihrer besonderen Schutzwürdigkeit und einer besonderen Verantwortung des Menschen. Er setzt menschlichen Nutzungsinteressen Grenzen. Diese Grenzen werden jedoch in der derzeitigen Praxis aus Sicht des Ethikrates regelhaft überschritten. Der Rat fordert deshalb eine deutlich stärkere Orientierung am Tierwohl und einen achtsameren Umgang mit dem tierlichen Leben. Zu beachten sind demnach vor allem die folgenden Prinzipien:
- Schutz und Förderung des Tierwohls sind als weitreichende Verpflichtung zu verstehen: Allen Nutztieren ist während ihres ganzen Lebens ein möglichst gutes Gedeihen und Befinden zu ermöglichen, das ihren artspezifischen Verhaltensformen und Erlebnismöglichkeiten entspricht. - Tieren dürfen keine vermeidbaren Schmerzen und Leiden zugefügt werden. Ökonomische Überlegungen reichen für sich gesehen nicht aus, um Leid und Schmerzen von Nutztieren als "unvermeidbar" hinzunehmen. - Die Bedingungen von Zucht, Haltung und Verwertung einschließlich der Tötung von Nutztieren müssen mit guten Gründen gerechtfertigt werden. Dabei darf nicht pauschal auf die (Ernährungs-)Bedürfnisse der Menschen verwiesen werden. - Aus dem Respekt vor dem Leben von Tieren folgt darüber hinaus, dass generell acht- und sparsam mit tierlichem Leben umgegangen wird. Dieser Grundsatz wird verletzt, wenn bestimmte Nutztiere allein aufgrund ihrer geringeren ökonomischen Erträge pauschal aussortiert und vernichtet werden. - Die im Tierschutzgesetz festgelegten grundsätzlichen Schutzstandards stehen mit den in der Stellungnahme dargelegten ethischen Anforderungen in Einklang bzw. lassen sich zumindest in diesem Sinne verstehen. Dennoch sollte erwogen werden, den Grundgedanken des Tierwohls in tierschutzrechtliche Regelungen besser umzusetzen, beispielsweise mithilfe einer Umkehr von Begründungslasten und einem stärkeren Rückgriff auf tierwohlbezogene Indikatoren. - Tierwohlorientierte Vorgaben des Tierschutzgesetzes dürfen nicht im Wege der Interpretation oder der untergesetzlichen Konkretisierung unterlaufen werden. Für den Prozess der Gesetzeskonkretisierung braucht es klare, rechtsverbindliche Ergebnisse garantierende Verfahrensformen mit transparenten Beteiligungsstrukturen, die Tiere und ihre berechtigten Belange angemessen "repräsentieren". Institutionalisierte Interessenkonflikte und einseitige Besetzungen sind zu vermeiden. - Nutztierbasierte Produkte sind in ihrer besonderen Wertigkeit anzuerkennen. Ferner sind Ersatzprodukte zu stärken. Die zunehmende Nachfrage von Konsumenten nach pflanzenbasierten Fleischersatzprodukten ist als indirekter Beitrag zum Tierwohl zu begrüßen.
Die Aufgabe, die moralisch gebotene Achtung des Tierwohls praktisch umzusetzen, betrifft unsere gesamte Gesellschaft. Um sie zu bewältigen, genügt es nicht, allein an die Verantwortung der Konsumenten zu appellieren. Vielmehr sind alle relevanten Akteure in einen ergebnisorientierten Diskurs einzubinden.
Eine ethisch vertretbare Nutztierhaltung ist in erster Linie eine Frage verantwortlicher Regulierung. Die Rolle der Politik besteht darin, einen angemessen strukturierten Transformationsprozess zu gestalten. Dabei ist sicherzustellen, dass die erwartbaren Lasten, die ein solcher Strukturwandel mit sich bringt, fair verteilt werden.
Die Stellungnahme in ihrem vollständigen Wortlaut ist abrufbar unter http://ots.de/yppMvI .
Pressekontakt:
Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Jägerstraße 22/23
D-10117 Berlin
Tel: +49 30 203 70-246
Fax: +49 30 203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: http://www.ethikrat.org
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/42978/4624947
OTS: Deutscher Ethikrat
Original-Content von: Deutscher Ethikrat, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
736997
weitere Artikel:
- Stephan Brandner: Datenkrake Corona-App soll gläsernen Bürger erschaffen Berlin (ots) - Seit den frühen Morgenstunden kann die Corona-App heruntergeladen und installiert werden. Mithilfe der Anwendung sollen Infektionsketten laut Aussage der Bundesregierung schneller nachverfolgt werden können. Die Entwicklung kostete den Steuerzahler 20 Millionen Euro, laufende Kosten von mehreren Millionen Euro kommen hinzu.
Der stellvertretende Bundessprecher der Alternative für Deutschland, Stephan Brandner, kritisiert die Bereitstellung der Corona-App und bezeichnet sie als ersten Schritt in den Überwachungsstaat.
"Wer glaubt, mehr...
- "Angehörige und Pflegekräfte können damit pflegebedürftige Menschen besser schützen" / bpa unterstützt Corona-Warn-App der Bundesregierung Berlin (ots) - Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) begrüßt die Einführung der Corona-Warn-App der Bundesregierung. "Damit bekommt jeder einzelne Bürger die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten, damit die Infektionsketten schneller durchbrochen werden", sagt bpa-Präsident Bernd Meurer. Denn die App informiert darüber, wenn man Kontakt zu einer nachweislich infizierten Person hatte. "Damit dient die App genauso dem persönlichen Schutz wie dem der Mitmenschen."
Meurer: "Da Pflegebedürftige bekanntermaßen zur besonders mehr...
- Transparency drängt Union zu Aufklärung im Fall Amthor Osnabrück (ots) - Transparency drängt Union zu Aufklärung im Fall Amthor
"Nicht wegducken" - An Ermittlungen gegen Fraktionskollegin Strenz erinnert
Osnabrück. Nach den Enthüllungen über die Nebentätigkeit des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor wächst der Druck auf die CDU, die Unionsfraktion und den Bundestag, den Fall genau zu untersuchen. Norman Loeckel, stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Politik von Transparency Deutschland, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Da momentan noch unklar ist, welche Form genau der Vorteil mehr...
- Bayernpartei: Kein zusätzliches Steuergeld nach Brüssel München (ots) - Die EU-Kommission plant wieder einmal den großen Sprung nach vorn. Dies geschieht auf ganz klassische EU-Weise, indem man nämlich den Haushalt aufbläht. Im Haushaltsvorschlag für die Jahre 2021 bis 2027 ist ein Sachverhalt besonders bemerkenswert, der hierzulande alle Alarmglocken zum Schrillen bringen müsste.
Denn die Bundesrepublik soll jedes Jahr 13 Milliarden Euro mehr nach Brüssel überweisen. Oder anders ausgedrückt: Der Beitrag soll um 42 Prozent steigen. Und da sind die Sonderabgaben zur Bewältigung der Nachwehen der Corona-Krise mehr...
- Katzen profitieren von der Coronakrise Berlin (ots) - Von der Coronakrise und dem Homeoffice profitieren vor allem Katzen. Im Tierheim Berlin, dem größten Deutschlands, landen derzeit deutlich weniger Stubentiger als üblich. In den vergangenen zehn Wochen seien 38 Prozent weniger Katzen ins Tierheim gekommen als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, sagte die Sprecherin des Berliner Tierschutzvereins, Annette Rost, dem Tagesspiegel (Mittwochausgabe). "Normalerweise haben wir 400 bis 500 Katzen, jetzt sind es 250", berichtet Rost. Es werden nicht nur weniger Katzen abgegeben, viele Menschen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|