LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Dokumentationsstätte über Vertreibungen
Geschrieben am 24-10-2007 |
Leipzig (ots) - Können Historiker das Unmögliche möglich machen? In Berlin sollen sie ein Dokumentationszentrum zum Thema Vertreibung einrichten, das durch und durch korrekt zu sein hat. Doch wie, bitteschön, lässt sich das bewerkstelligen? Das Leid der Menschen aus den einstigen Ostgebieten muss einerseits anschaulich werden, weil sich die Betroffenen sonst über mangelndes Mitgefühl entrüsten würden. Andererseits darf nicht emotionalisiert werden. Denn das könnte die Polen und Tschechen verletzen. Zudem gehört zum Gesamtbild, dass der Krieg, zu dessen Opfern am Ende auch die Deutschen wurden, vomHitler-Reich ausgegangen war. Um gar nichts verkehrt zu machen, wäre es ratsam, aufzulisten, dass es Vertreibungen schon vor mehr als 2000 Jahren gab und dass sie - Beispiel Darfur - bis heute anhalten. Doch Vorsicht: Bei der Erwähnung des noch immer ungelösten Kosovo-Konflikts scheint diplomatische Zurückhaltung geboten. Außenpolitisch noch heikler ist die einstige Verjagung der Armenier durch die Türken. Uff! Diese Ansprüche dürften bei Fachleuten ein Haareraufen auslösen. Schließlich müssen sie bei der Gestaltung einer Ausstellung das Aufnahmevermögen des Durchschnittsbesuchers im Blick behalten. Das Schlimmste wäre am Ende eine Schau, die vor lauter Ausgewogenheit ein Gähnen hervorruft. Doch keine Sorge: Ein solches Reizthema lässt sich gar nicht zur allseitigen Zufriedenheit darstellen. Vor dem Hintergrund der seit Jahren gärenden innen- und außenpolitischen Debatten bleibt die Sehnsucht nach harmonischer Geschichtsbügelei unerfüllbar. Historie ist nicht knitterfrei. Also wird es am Schluss - so oder so - ein Dokumentationszentrum geben, das Streit auslöst. Genau darin aber liegt der Nutzwert des Projekts: Das Leid der Deutschen, die zu Millionen nach Westen flüchteten, bleibt in der Diskussion und damit in der Erinnerung. Das Thema wird noch Generationen dazu anregen, über den Zweiten Weltkrieg, über seine Ursachen und Folgen nachzudenken sowie vor allem Schlussfolgerungen für künftiges Handeln zu ziehen. Bis zur Eröffnung allerdings fließt garantiert noch viel Wasser die Spree hinunter. Bundestags-Vize Wolfgang Thierse ist mit seiner vollmundigen Behauptung, die schwarz-rote Koalition sei sich in der Sache einig, übers Ziel hinausgeschossen. Die Ankündigung des SPD-Politikers, dass der Bund der Vertriebenen nicht beteiligt werde, lässt Klärungsbedarf in einer Grundsatzfrage erkennen. Die Union kann eine solche Ausgrenzung nicht akzeptieren. Betroffene vor die Tür zu setzen, wenn es um die Darstellung ihres Schicksals geht, wäre beleidigend und würde zwangsläufig zu einer unvollständigen Darstellung führen. Zudem waren es die Vertriebenen, die mit der Gründung einer eigenen Stiftung den Anstoß für ein Dokumentationszentrum gaben. Falls die Regierungsparteien sich nicht verständigen, werden die Betroffenen die Sache selbst in die Hand nehmen.
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