LVZ: SPD-Chef Beck will SPD nicht nur in linke Ecke drängen lassen / Merkel soll ihre Minister zur Ordnung rufen / 2009 werde es klare Richtungswahl geben
Geschrieben am 30-10-2007 |
Leipzig (ots) - Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel aufgefordert, Ordnung in ihren eigenen Reihen zu schaffen und störende Minister, wie beispielsweise Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, zur Ordnung zu rufen. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe) wehrte Beck zugleich Vorwürfe ab, die SPD verfolge nun einen neuen Linkskurs. Allerdings versprach er den Wählern, zur Bundestagswahl 2009 werde ihnen eine klare Richtungsentscheidung angeboten werden. "2009 wird es für den Wähler um eine eindeutige Weichenstellung gehen. Aber die SPD wird sich nicht verengen lassen auf ein linkes Spektrum. Wir wollen und werden die solidarische Mehrheit gewinnen, von der Mitte bis zum vertretbaren linken Rand." Der SPD-Basis versicherte Beck, dass es mit ihm garantiert keine Trickserien irgendwelcher Sozialdemokraten in Verantwortung geben werde bei dem Versuch der politischen Umsetzung auch umstrittener SPD-Parteitagsbeschlüsse.
Mit ihrem Hamburger Parteitag habe die SPD "ihre klare Furche gezogen, wir sind zum Maßstab geworden", sagte Beck. "Die anderen sollen sich an uns messen, nur zu. Das ist ein großer Erfolg des Hamburger Parteitags." Zur Kritik von FDP-Chef Guido Westerwelle, wonach die SPD sich mit ihren Beschlüssen weit von der FDP als potentiellen Koalitionspartner entfernt habe, meinte Beck verständnisvoll: "Es gehört zu der Rolle eines Oppositionsführers, die Regierungspartei zu kritisieren. Dabei schießt Herr Westerwelle manchmal über das Ziel hinaus."
Entschieden verteidigte Beck seinen Verbleib in Rheinland-Pfalz, um auch von dieser Provinz aus die Politik im Bund zu steuern. Auf die Frage, ob er 2009 nach Berlin kommen werde, weil man als SPD-Chef auf Dauer nicht in der Provinz sitzen könne, meinte Beck in dem Interview: "Der SPD-Vorsitzende hat sichtbar sein Büro und seinen Sitz in Berlin. Über die Provinz spotten nur diejenigen, die zu häufig vor großstädtischen Wänden und Mauern stehen, ohne jemals wirklich darüber hinweg zu sehen. Ich vermute, dass die Mehrheit der Deutschen so gesehen in der Provinz lebt. Ich werde mich nicht davon distanzieren, zu denen zu gehören."
In dem Interview erhob der Sozialdemokrat heftige Vorwürfe gegenüber der Union. "In der CDU sind viele Fragen und Linien ungeklärt." Es gebe "riesengroße Unterschiede zwischen dem Wirtschaftsflügel der Union, dem Arbeitnehmerflügel und Sozialpopulisten wie Jürgen Rüttgers", meinte Beck. "Die Union hat viele offene, strittige Fragen. Ob die einen solchen Klärungs-Parteitag wie wir hinbekommen, möchte ich erst einmal sehen", so der SPD-Chef.
Die Behauptung, die SPD sei mit den Hamburger Beschlüssen und dem neuen Grundsatz-Programm nach links gerückt, nannte Beck "Quatsch". Der Parteitag habe ein Programm beschlossen, das auf Basis der Grundwerte der SPD Antworten für die Zukunft im Zeitalter der wirtschaftlichen Globalisierung gebe. "Das ist bisher noch keiner Partei gelungen. Ich bin entschlossen, das auch politisch umzusetzen", versicherte Beck.
Die SPD wolle bis 2009 "mit der Union weiter erfolgreich regieren", versicherte Beck. "Aber nicht mehr auf die Art, wie uns in den letzten Monaten zugemutet worden ist. Herr Schäuble kann sich bei seinen eigenen Landesministern mit seinen kruden Ideen nicht durchsetzen und schreit zur Ablenkung in Richtung SPD: ,Haltet den Dieb!' Wenn man in den eigenen Reihen Probleme hat, und zur Ablenkung auf den Koalitionspartner eindrischt, ist das eine unglaubliche Zumutung. Da muss die CDU-Bundesvorsitzende zukünftig dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr vorkommt."
Beck kündigte in dem Interview an, dass er in den bevorstehenden Sitzungen des Koalitionsausschusses am 4. und 12. November die strittigen Themen, wie etwa die verlängerte Bezugsdauer für ALG I, ein Tempolimit und die Bahn-Privatisierung, ansprechen werde. Dabei betonte Beck, dass die SPD zu dem stehen werde, was in der Koalitionsvereinbarung verankert sei. "Darüber hinaus werde ich unsere Position im Koalitionsausschuss zur ALG-I-Frage deutlich machen. Es gibt Schnittmengen zwischen uns und der Union." Auch bei dem Einstieg ins Rentenalter müsse man Kompromisse suchen und finden. "Wir werden uns darüber zu unterhalten haben, wie ein flexiblerer Übergang zwischen Arbeitsleben und Rente geregelt werden kann. Natürlich wollen wir, dass dabei so viel wie möglich SPD-Position eingearbeitet wird. Zu 100 Prozent wird sich keine der drei Parteien durchsetzen können", sagte Beck und kündigte zugleich an: "Was in dieser Koalition nicht geht, kommt 2009 zur Abstimmung auf den Tisch der Wähler."
Mit ihm werde es keine Tricksereien beim Versuch der Umsetzung auch umstrittener Parteitags-Beschlüsse geben, so Beck. "Die Partei hat meinen kooperativen Führungsstil anerkannt. Dazu gehört der ehrliche Umgang mit Beschlüssen." Das gelte selbst für das Tempolimit, auch wenn Beck dabei große Distanz erkennen ließ. "Eine Mehrheit des Parteitages hat das so entschieden und ich respektiere das. Getrickst wird nicht." Entweder es gehe in der Koalition oder es gehe nicht. "Einen Kompromiss sehe ich in diesem Fall nicht." Viel wichtiger wäre ihm aber "eine schnelle Umsetzung der Koalitionseinigung bei den Vorschriften für Flottenverbräuche oder zu allgemeinen Abgasnormen, die so gesenkt werden müssen, dass sie die Industrie nicht überfordern und gleichzeitig ein maximal erreichbares Klimaschutzziel gewährleisten", meinte Beck. "Da ist viel mehr Potential drin als mit einem Tempolimit."
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
Pressekontakt: Leipziger Volkszeitung Büro Berlin Telefon: 030/72626-2000
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