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Westfalenpost: Mit Respekt Die große Lücke nach Franz Müntefering

Geschrieben am 13-11-2007

Hagen (ots) - Von Bodo Zapp

Noch nie hat Franz Müntefering von allen Seiten so viel
Anerkennung erfahren wie am Tag seiner Rücktrittserklärung. Anders
als im politischen Alltagsgeschäft sind die meisten guten Worte ernst
gemeint. Manch einem ist vielleicht erst gestern bewusst geworden,.
was der SPD, aber auch der Koalition, mit diesem knorrigen Mann
verloren geht. Leute seines aufrechten Kalibers sind in der großen
Politik rar.
Die Entscheidung, auf das Amt des Arbeitsministers und die Position
des Vizekanzlers zu verzichten, um Zeit für seine krebskranke Frau zu
haben, verdient hohen Respekt. Es gibt Wichtigeres als Politik, sagte
die Kanzlerin, die Müntefering als SPD-Stütze im Kabinett vermissen
wird. Merkels wackerer Mit-Verteidiger des Koalitionsvertrages hätte
sich zuletzt allerdings gewünscht, von ihr mehr Unterstützung zu
erfahren.
Das vorläufige Scheitern seines Mindestlohn-Projektes schmerzt den
67-jährigen. Wie auch die Niederlage gegen seine Parteifreunde beim
Arbeitslosengeld I, dessen Befreiung von Schröderschen Reformfesseln
aus Sicht des Agenda-Hüters ein Fehler ist. Sein Rücktritt habe rein
private Gründe, beteuert Müntefering. Die von ihm teilweise wohl auch
als Demütigung verstandene Entmachtung in wichtigen Sachfragen durch
Kurt Beck mag trotzdem den Abschieds-Entschluss erleichtert haben.
Was die SPD an ihrem ehemaligen Vorsitzenden hatte, wie groß die von
ihm hinterlassene Lücke ist, wurde bei der Ausstiegs-Pressekonferenz
mit einem Franz Müntefering in Hochform deutlich. Klare Kante, kein
gezwirbeltes Reden um den heißen Brei: Minister-Nachfolger Olaf
Scholz ist fachlich versiert, die Ausstrahlung des Mannes der sich
auch als "Außenminister" des Sauerlandes Sympathie erwarb, erreicht
er nicht. Und Walter Steinmeier, der neue Vizekanzler, ist als
Politiker der eher leisen Töne ein ganz anderer Typ.
Warum sich SPD-Chef Beck nicht selbst in die Ministerpflicht
genommen hat, ist nur zu vermuten. Ob er sich von außen, ohne
Einbindung in die Kabinettsdisziplin, mehr kämpferische Wirkung
verspricht oder vielleicht sogar den Sprung in die sichere
Kanzlerkandidaten-Position scheut, aus Selbstzweifel oder warum auch
immer: Kurt Beck bleibt seiner Fragezeichen-Rolle treu. Ein Zeichen
für Stärke ist das nicht.
Er werde sich nicht gänzlich aus der Politik zurückziehen und wolle
gerne noch an der sozialdemokratischen Rückeroberung von NRW
mitwirken, sagt Müntefering. Dass die Berliner Parteilinie eine
andere sein wird als die, die er aus Sach- und Traditionsgründen für
richtig hält, muss den Vollblut-Politiker bei allen
Einigkeits-Bekundungen schmerzen. Einer wie er, der seit Jahrzehnten
sozialdemokratische Fäden mitgezogen und sich unstrittige Verdienste
erworben hat, kann nicht wirklich von einem Tag auf den anderen
unbeteiligter Beobachter sein.
Müde sei er nicht, lässt Müntefering wissen. Vielleicht kommt ja
noch was. Wichtiger als politische Überlegungen ist aber: Er hat das
Richtige getan.

Originaltext: Westfalenpost
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Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160


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