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Allg. Zeitung Mainz: Was nun? (zu Müntefering)

Geschrieben am 13-11-2007

Mainz (ots) - Einer, der über 40 Jahre lang sozialdemokratische
Politik mitgestaltet und so manchen Strauß ausgefochten hat, wirft
nicht hin, weil er in der Partei in Sachfragen unterlegen ist. Franz
Müntefering sagt, er gibt seine Ämter auf, weil er in tiefer Sorge um
seine kranke Frau ist. Das hat man ihm ohne Wenn und Aber zu glauben,
weil der Respekt vor einem, der zu den wenigen wirklich Gradlinigen
in der deutschen Politik zählt, das gebietet. Dass seine Partei und
auch der Koalitionspartner ihm aus taktischen Gründen nicht folgten,
ist in der Politik leider gang und gäbe. Man wird vor allem beim
Thema Arbeitslosengeld für Ältere bald sehen, wer auf Dauer Recht
behält.
Eines ist sicher: mit Franz Müntefering verlässt einer der
markantesten Politiker der SPD die erste Reihe.

Chance nutzen

SPD-Chef Beck konnte bis gestern auf seinem innerparteilichen
Machtkonto als Erfolg verbuchen, Müntefering schachmatt gesetzt zu
haben. Was aber macht der SPD-Chef nun daraus? Nach Berlin will er
partout nicht, weil er meint, ohne die sachlichen Zwänge, die sich
aus einem Regierungsamt ergeben, der Kanzlerin politisch besser
Paroli bieten zu können. Deshalb schickt er den Außenminister auf den
Sessel des Vizekanzlers. Wer erlebt hat, was Franz Müntefering mit
diesem Job bewegen konnte, wird erkennen, dass man dabei keineswegs
ein Grüßaugust ist, sondern sehr gut Politik machen kann. Man ist in
Berlin präsent, gestaltet also dort mit, wo die Musik spielt. Man
könnte den Wählern so auch hervorragend zeigen, welch gute
Alternative man zur Kanzlerin wäre. Kurt Beck aber bleibt in Mainz,
sagt er. Wer denkt da nicht an Helmut Kohl? Der ist seinerzeit von
Mainz nach Bonn gegangen und hat sich dort auf der harten Bank der
Opposition seine Chancen erarbeitet. Er hatte Erfolg. Die Geschichte
lehrt, dass aus der Provinz keine Krone zu erobern ist. Wer wirklich
Merkels Job will, muss sich mit ihr täglich, und zwar in Berlin,
auseinandersetzen. Das ist nicht einfach, denn die Kanzlerin macht
kaum etwas falsch, weder zu Hause, noch in Afghanistan, noch auf der
Ranch des George W. Bush. Doch es wäre die einzige echte Chance für
einen Herausforderer. Kurt Beck überlässt das Feld und damit viele
gute Gelegenheiten Frank Walter Steinmeier. Will er am Ende gar nicht
gegen Angela Merkel antreten, weil er längst weiß, dass er in der
offenen Konfrontation eines Wahlkampfs gegen sie womöglich keine
Chance hat? Die Zeichen mehren sich, dass dies so ist.

Originaltext: Allgemeine Zeitung Mainz
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65597
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