Westdeutsche Zeitung: Nach Lea-Sophias Tod = von Wolfgang Radau
Geschrieben am 23-11-2007 |
Düsseldorf (ots) - Ein misshandeltes Kind wie die fünfjährige Lea-Sophie aus Schwerin leidet still. Übermächtiger Hunger, quälender Durst - von wem hätte das am Ende auf 15 Pfund abgemagerte Geschöpf Hilfe erwarten können, wenn nicht von seinen Eltern? Der Fall Lea-Sophie ist, wieder einmal, die Spitze eines Eisberges. In Deutschland, so schätzen Experten, leben rund 35 000 Kinder in Schmutz und Elend, leiden Hunger und Durst, werden geprügelt oder ohne jede menschliche Zuneigung hinter verschlossenen Türen weggesperrt. Jede Woche sterben zwei bis drei dieser Kinder - in diesem reichen, hoch zivilisierten Land, in dem man für fast alles einen Führerschein braucht - nur nicht für den Umgang mit Kindern. Seit Jahren fordern Ärzte, Kinderschützer und Politiker, Vorsorgeuntersuchungen für Kinder gesetzlich als Eltern-Pflicht zu verankern. So könnten Defizite in der Gesundheit und Entwicklung wie auch Hinweise auf Verwahrlosung und Misshandlung erkannt werden. Bisher ist eine einheitliche Regelungen für alle Bundesländer nicht zustande gekommen - ein Paradebeispiel für unsinnigen Partikularismus. Insgesamt zehn Vorsorgeuntersuchungen gibt es für Kinder und Jugendliche - NRW regelt jetzt per Gesetz, dass hierzulande die Teilnahme an den fünf Untersuchungen zwischen Kinderklinik und Schul-Eingang behördlich erfasst wird. Kinder, die nicht beim Arzt waren, werden an die Kommunen gemeldet. Dann "können die örtlichen Jugendämter aufsuchend und beratend tätig werden", wie es im schönsten Behördendeutsch heißt. Eine flächendeckende Vorsorge sieht anders aus. Immerhin, NRW tut was. Nur: Andere Bundesländer tun nicht mit. Das macht das Verfahren kompliziert. Es gibt kein zentrales Meldesystem, folglich bleibt der Schwarze Peter auch hier bei den ohnehin hoffnungslos überforderten Behörden vor Ort. Wie das ausgehen kann, wissen wir vom tragischen Fall Kevin aus Bremen. Der stand unter Vormundschaft, aber die Jugendbehörde hatte ihn monatelang nicht aufgesucht. Oder vom aktuellen Fall Lea-Sophie in Schwerin. Die Jugendpfleger im Rathaus hatten zwar Hinweise auf die Vernachlässigung des Mädchens. Aber sie entschieden: "Es gibt keine Probleme." Das Kind selbst hatte sich niemand angesehen.
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