LVZ: Leipziger Volkszeitung zum CDU-Parteitag
Geschrieben am 02-12-2007 |
Leipzig (ots) - Hannover ist nicht Leipzig. Ganz besonders nicht für die CDU. Wenig ist geblieben vom wirtschaftspolitischen Modernisierungseifer, der die Christdemokraten und ihre Vorsitzende Merkel auf dem Parteitag 2003 umtrieb. Schon auf dem Dresdner Parteitag 2005, als aus der Reformerin und Oppositionsführerin die Kanzlerin und Vermittlungstherapeutin der großen Koalition geworden war, wurde viel ökonomische Vernunft an der Garderobe abgegeben, dafür aber populäre und populistische Verteilungspolitik als der wahre Sinn christdemokratischen Handelns wiederentdeckt. Unter Druck und Eindruck einer fast verlorenen Wahl. Seitdem haben Merkel und ihr Generalsekretär Pofalla die CDU kontinuierlich nach links gerückt. Auch wenn dies im Konrad-Adenauer-Haus heftig abgestritten wird, ist das neue Grundsatzprogramm der CDU, das die Delegierten ohne Revolution gegen die Umfragen-Königin Merkel absegnen werden, der schriftliche Beweis dafür. Einige konservative Beruhigungspillen wie das Elterngeld oder die Ablehnung des EU-Beitritts der Türkei ändern am gesellschaftspolitischen Richtungswechsel der CDU nicht viel. Dabei drohen ihr viele klare Konturen und Bindungskräfte an bürgerliche Wählerschichten abhanden zu kommen. Ohne dass gesichert wäre, Jüngere oder Großstädter in Zukunft für die letzte große Volkspartei mit Chancen auf einen 40-Prozent-Anteil an die Urnen zu bringen. Merkels Besetzen des Vakuums, das die SPD in der linken Mitte hinterlassen hat, irritiert Freund und Feind gleichermaßen. Die den Linken ewig hinterherhechelnde SPD genauso wie die eigenen Stammwähler, die sich von der Parteivorsitzenden beim Verteidigen bürgerlicher Werte allein gelassen fühlen. Obwohl es vielerorts an der Basis der CDU gärt und brodelt, hat Merkel als Parteivorsitzende in Hannover weder inhaltlich noch machtpolitisch Schlimmes zu befürchten. Gute Umfragewerte für sie und halbwegs gute für die Union, sinkende Arbeitslosigkeit, eine noch boomende Wirtschaft und ein zeternder, aber desolater Koalitionspartner steigern die disziplinierende Wirkung der Kanzlerschaft zusätzlich. Merkel sitzt so fest im Sattel wie noch nie seit ihrer Wahl zur Vorsitzenden. Ob die CDU zum willenlosen Merkel-Wahlverein geworden ist, wird sich aber erst zeigen, wenn die Dinge schlechter laufen, Landtagswahlen verloren gehen, die Wirtschaft wieder lahmt oder der kraftvoll aufgeblähte Haushalt nicht mehr finanzierbar ist. Mit Schröders neuer Mitte hat Merkels Mitte, die eine alte ist, wenig zu tun, weil es um das Zurückdrehen des Reform-Rades geht. Mehr Freiheit und weniger Staat hatte sie zu Beginn ihrer Kanzlerschaft versprochen, weniger Freiheit und mehr Staat sollen es nun werden. Es ist die Aufgabe Pofallas, gebetsmühlenartig das Gegenteil zu behaupten und Abgrenzungsbändchen zur SPD als unzerstörbare Stahlseile auszugeben. Festen Wählergrund hat die CDU mit ihrem neuen Grundsatzprogramm noch nicht unter den Füßen. Sie wirkt wie ein verunsicherter Suchtrupp im Niemandsland der beliebigen politischen Mitte. Schaffen es Merkel und Pofalla nicht, die genervte Basis mitzuziehen, könnte aus dem Einzug in die gelobte Mitte schnell ein "Ab durch die Mitte" in der Wählergunst werden.
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