WAZ: Angela Merkels Stärke und Risiko - Eine Person für alle Positionen - Leitartikel von Angela Gareis
Geschrieben am 05-12-2007 |
Essen (ots) - Politiker zeigen sich gern resistent gegen Umfragen, weil sie Souveränität demonstrieren wollen, aber heimlich schauen sie sehr wohl darauf. Angela Merkel hat ziemlich plötzlich beim Mindestlohn nachgegeben. Und sie hat überzogene Managergehälter auf dem CDU-Parteitag in ziemlich plötzlicher Schärfe kritisiert. Kurz zuvor hatte eine Umfrage ergeben, dass 60 Prozent der Bürger die Kanzlerin für eine Anwältin der Reichen halten. Eventuell war das reiner Zufall. Eventuell nicht.
Jetzt hat Forsa ermittelt, dass die Kanzlerin Vertrauen verliert. Im September wog das Vertrauen 60 Prozent, nun sind es noch 54 Prozent. Zwischendurch hat Frank-Walter Steinmeier die Kanzlerin von Platz 1 unter den wichtigsten Politikern verdrängt. Daraus mag man lesen, dass Spitzenwerte im Allgemeinen schwer zu halten sind. Im Besonderen sind sie womöglich schwer zu halten, wenn man zu viel auf sich vereint.
Auf dem CDU-Parteitag gewann man den Eindruck, dass die Kanzlerin nicht nur ein herausragendes Mitglied ihrer Partei ist, sondern gewissermaßen alle Mitglieder, jedenfalls in der Außenwahrnehmung. Nahezu allein verkörpert Merkel Kurs und Kabinett der CDU und vor allem deren verschwimmendes Profil. Starke Persönlichkeiten werden an ihrer Seite nicht stärker, sie verschwinden eher wie Friedrich Merz und Edmund Stoiber. (Die CSU ist im Übrigen kaum noch zu sehen.) Oder sie werden schwächer wie Roland Koch, Christian Wulff und zuletzt Ursula von der Leyen.
Das erinnert an Helmut Kohl, der auch mal die CDU gewesen ist, allerdings war damals die Gesellschaft weniger kompliziert und die Welt weniger globalisiert. (Und die CSU weniger unsichtbar.) Die Frage ist, ob heutzutage eine Volkspartei noch in diesem Maße von einem Kanzlerbonus zehren kann, oder ob man einen Bonus eher aufzehrt, indem man als Kanzlerin zu viele gegensätzlich erscheinende Positionen besetzt. Modernisierung und Konservatismus, Reformhärte und Sozialwärme.
Die SPD streitet sich zwar viel, aber dabei bleiben markante Figuren und die Flügel der Partei erkennbar. Neben Vizekanzler Steinmeier und Peer Steinbrück muss man auch die zähe Ulla Schmidt nennen sowie Peter Struck und Andrea Nahles. Wenn Steinbrück sozial kühl wirkt, kann Nahles sozial ausgleichen, und Kurt Beck guckt seinen Blitzableitern zu. Weil die Flügel der CDU schwächer werden, muss Merkel ihr eigener Blitzableiter sein. Eventuell ist sie deshalb bei Mindestlohn und Managergehältern den Umfragen gefolgt.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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