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Der Tagesspiegel: Marianne Birthler: Weiter zunehmendes Interesse an Stasiakten / Ostdeutsche waren kein Volk von Spitzeln und Verrätern / Behörde wird mindestens bis 2019 oder 2020 gebraucht

Geschrieben am 27-12-2007

Berlin (ots) - Berlin - Die Deutschen zeigen nach Ansicht der
Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, Marianne Birthler, ein
wachsendes Interesse an der DDR-Vergangenheit. Nachdem von 2005 bis
2006 die Zahl der Anträge auf persönliche Akteneinsicht bei der
Behörde um 20 Prozent auf 97 000 gestiegen sei, rechne sie auch in
diesem Jahr wieder mit einer leichten Steigerung, sagte Birthler dem
Berliner "Tagesspiegel" (Freitagausgabe). Auch das Interesse an
Ausstellungen, Dienstleistungen, Vorträgen und Publikationen der
Behörde zu DDR-Themen nehme zu. Als eine der Ursache dafür sieht
Birthler, dass im Osten "eine neue Lehrergeneration auftritt, oder
auch die älteren Lehrer ihre Scheu verlieren, über selbst erlebte
Geschichte zu sprechen. Ganz allmählich wächst daneben auch im Westen
ein Bewusstsein dafür, dass die Geschichte der DDR Teil
gesamtdeutscher Geschichte ist." Trotz dieser Tendenz sei
festzustellen, dass das Wissen über die DDR und die kritische
Auseinandersetzung mit ihr insgesamt noch deutlich unterentwickelt
sei.

Die aktuelle Debatte über die Zukunft der Stasiunterlagenbehörde
und eine mögliche Übergabe der Akten an das Bundesarchiv sei "etwas
unübersichtlich", sagte Birthler. "Mittlerweile steht die Frage, wie
es mit der Behörde wird, schon seit drei Jahren ungeklärt im Raum.
Das ist schwierig für uns, nicht zuletzt, weil wir eine
Planungsgrundlage brauchen - für inhaltliche Planungen, für
Verwaltungsfragen, für Strukturentscheidungen, für die
Personalentwicklung." Sie rechne damit, dass die Behörde "mindestens
bis zum Jahr 2019, 2020 gebraucht" werde - also bis 30 Jahre nach dem
Ende der DDR. "Möglicherweise sogar noch länger", fügte sie hinzu.
Wenn man die Akten zu früh dem Bundesarchiv übergeben würde, müssten
die Regeln des Stasiunterlagengesetzes auch dort für sie gelten. "Die
Zugangsmöglichkeiten würden damit also nicht erleichtert, sondern
wahrscheinlich eher erschwert", sagte Birthler.

Die Stasiakten zeigen nach Ansicht der Behördenchefin, "dass die
Ostdeutschen kein Volk von Spitzeln und Verrätern waren". Zwar hätten
die meisten Menschen angepasst gelebt und seien keine Helden gewesen.
"Und doch galt in der DDR das ungeschriebene Gesetz: Mit der Stasi
arbeitet man nicht zusammen. Das haben die meisten respektiert. Die
Stasiakten beschämen die Menschen aus der DDR also nicht, sie
rehabilitieren sie eher und zeigen, dass es viele Menschen auch unter
unkomfortablen Umständen vermocht haben, einigermaßen anständig durch
die Zeiten zu kommen", sagte Birthler der Zeitung. Am Ende der DDR
habe es 92 000 hauptamtliche und 174 000 inoffizielle Mitarbeiter der
Stasi gegeben. "Zusammengenommen haben also weniger als zwei Prozent
der Gesamtbevölkerung für die Stasi gearbeitet", sagte sie.

Neben anderen Archivbeständen würden die Stasiakten "immer eine
sehr, sehr wichtige Quelle bleiben", sagte Birthler. "Bestimmte
Sachverhalte finden sich nur in ihnen." Aus den Akten des MfS könne
man nicht nur lernen, wie die Stasi selbst funktioniert hat, sondern
auch viel über das politische System der DDR und den Alltag.
"Meinungsumfragen zum Beispiel gab es in der DDR natürlich nicht. Die
Akten taugen deshalb auch als eine Art Allensbach-Ersatz", sagte die
Bundesbeauftragte. Weil die Wirklichkeit durch die ideologische
Brille der Stasi-Offiziere wahrgenommen wurde, müsse man allerdings
immer quellenkritisch mit den Unterlagen umgehen.

Bei Rückfragen:
"Der Tagesspiegel"
Politikredaktion
Tel.: 030/26009389

Originaltext: Der Tagesspiegel
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/2790
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_2790.rss2

Pressekontakt:
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de
 


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