Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 15. Januar 2008 die neuesten Vorschläge von Hessens Ministerpräsident Koch zur Kinder- und Jugendkriminalität:
Geschrieben am 14-01-2008 |
Bremen (ots) - Das Thema wird bleiben von Joerg Helge Wagner Wie oft ist in den letzten Tagen öffentlich der Name Andrea Ypsilanti gefallen? Wer weiß, wie viele Unterschriften sie bereits für den Mindestlohn gesammelt hat? Und wen interessiert das überhaupt noch? Gegenprobe: Wie oft wurde "Roland Koch" gesagt, gesendet, gedruckt? Wer weiß, was der Mann fordert? Wer regt sich darüber auf, wer stimmt zu? Was immer die Umfragen sagen mögen: Der hessische CDU-Ministerpräsident liegt im Wahlkampf vorne, weil er die seit langem hitzigste politische Debatte anführt - seine SPD-Herausforderin kann nur reagieren, bekommt ihr eigenes Thema gar nicht mehr unter die Leute. Doch nun scheint Koch bei seinem vermeintlichen Siegeslauf mit Konditions- und Koordinierungsproblemen zu kämpfen. Zwölf Tage müsste er noch durchhalten mit dem Thema Jugendgewalt, also wohldosiert dafür sorgen, dass es in den Medien bleibt. Im bevorzugten Stimmungsorgan "Bild am Sonntag" hat er jetzt aber zuviel Gas gegeben, gestern folgte quasi der Wadenkrampf: Koch musste seine Äußerung zum Umgang mit kriminellen Kindern erklären, ja halb zurück nehmen - und das auch noch auf Druck aus der eigenen Partei! Schlimmer Fehler, denn er hat seinen Gegnern auch noch eine griffige Vokabel geliefert: "Kinder-Knast"! Puh, das klingt nach Despotie und Dritter Welt, so etwas wollen wir hier ebenso wenig haben wie Kinderarbeit oder Kinderpornos. Wie kommt Koch aus der Nummer wieder heraus? Am ehesten, indem er mal ein paar Tage lang keine Vorschläge macht, sondern dies politischen Freunden wie Gegnern überlässt. Denn die führen die Debatte ja längst in seinem Sinn. Erstens, weil sie kaum noch über etwas anderes reden. Zweitens, weil jeder Vorschlag belegt, dass Koch eben nicht nur aus Wahlkampfgründen Gespenster beschwört - etwa, wenn sich die Türkische Gemeinde in Deutschland und die Grünen plötzlich gemeinsam für gewaltfreie Erziehung in Familien mit Migrationshintergrund einsetzen wollen. Wenn selbst der Präsident der Kinderschutzbundes weitere geschlossene Erziehungsheime fordert und sogar Oskar Lafontaine nach Sicherheitskräften in U- und Straßenbahnen ruft. Zum Schwur kommt es aber erst nach dem 27. Januar. Dann müssen alle, die sich jetzt äußern, durch Taten beweisen, dass ihnen das Thema immer noch wichtig ist. Dann wird hoffentlich auch der in den vergangenen Tagen konstruierte Gegensatz von wirksamer Vorbeugung und konsequenter Strafverfolgung überwunden.
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