Zum Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht erklaert der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poss:
Der achte Senat des Bundesfinanzhofs meint, die Besteuerung Geschiedener sei nicht verfassungsmaessig, soweit ein Unterhaltspflichtiger die ihm zustehende Haelfte des Kindergelds nicht oder nicht vollstaendig auf seine Unterhaltsleistungen anrechnen darf.
Die Aufteilung des Kindergelds bei Geschiedenen ist in Paragraf 1612 b Absatz 1 des Buergerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Dort steht in Absatz 5 auch, dass die grundsaetzliche Halbteilung des Kindergeldes dann nicht gilt, wenn der so genannte barunterhaltspflichtige Elternteil weniger als 135 Prozent des Unterhalts zahlt, als in der so genannte Regelbetrag-Verordnung (Duesseldorfer Tabelle) vorgesehen ist.
Die Annahme des Bundesfinanzhofs, in diesen Faellen werde der geschiedene Barunterhaltspflichtige verfassungswidrig besteuert, weil er nicht seinen haelftigen Anspruch auf das Kindergeld, das Teil des steuerlichen Familienleistungsausgleichs ist, erhalte, ist falsch. Denn die Regelung des Paragraf 1612 b Absatz 5 BGB stellt nur eine Abkuerzung des Zahlungsweges dar und zum Schutze des Kindes sicher, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil den vom ihm zivilrechtlich geschuldeten Unterhaltsanspruch auch tatsaechlich und vollstaendig erfuellt.
Der Bundesfinanzhof haette offenbar keine Vorlage beschlossen, wenn der Barunterhaltspflichtige das haelftige Kindergeld zunaechst vollstaendig erhalten haette und damit eine verfassungsgemaesse Besteuerung ausser Zweifel waere, dann aber einen Teil des Kindergelds wieder an sein Kind abtreten muesste, um den zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch zu erfuellen.
Es geht hier auch nicht um die steuerrechtliche Verschonung des Existenzminimums des Unterhaltspflichtigen. Es geht um die Erfuellung eines Unterhaltsanspruchs. Diese Ueberlegungen werden vom Bundesfinanzhof nicht angestellt und er geht auch nicht auf die Entscheidungen der Oberlandesgericht Stuttgart und Brandenburg ein, die keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der hier massgeblichen Vorschrift des Paragraf 1612 b Absatz 5 BGB geaeussert haben. Auch das Bundesverfassungsgericht selbst hat diese Vorschrift bereits akzeptiert.
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