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Börsen-Zeitung: Brief vom Finanzminister, Börsenkommentar von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 15-02-2008

Frankfurt (ots) - Stellen Sie sich vor, Sie erhalten plötzlich
einen Brief vom Finanzminister. Dieser fordert Sie darin auf, doch
mehr für die Konjunktur zu tun, indem Sie bitte schön mehr
konsumieren mögen. Der Minister lässt seinen Worten auch Taten
folgen, er hat nämlich einen Scheck über 1500 Euro beigelegt. 500
Euro für Sie, dieselbe Summe für Ihren Ehepartner und noch jeweils
250 Euro für Ihre beiden Kinder. Ein eher absurdes Szenario? Würde
jedenfalls Peer Steinbrück einen solchen Brief an die deutschen
Steuerzahler versenden, zöge das aller Wahrscheinlichkeit seine
sofortige Entfernung aus dem Amt nach sich.

In den USA können sich die privaten Haushalte jedoch genau auf
einen solchen Brief vom US-Schatzamt freuen. Steuerzahler werden
Anfang Mai vom Staat 600 Dollar erhalten, Kinder die Hälfte. Etwa 170
Mrd. Dollar schüttet die US-Regierung auf diese Weise als
Konjunktur-Notprogramm aus. Wobei die beschriebene Form der
Auskehrungen geschickt gewählt ist. Amerikaner haben bereits im
Umfeld der Rezession von 2001 derartige Briefe erhalten, wobei sich
gezeigt hat, dass viele Konsumenten noch am Tag des Eintreffens der
Schecks mit denselben zum Einkaufen geeilt sind.

Es ist also davon auszugehen, dass das Notprogramm der
US-Regierung, das dieser Tage Gesetzeskraft erlangt hat, ein durchaus
effektives Mittel der Konjunkturankurbelung darstellt. Hinzu tritt
die Erwartung weiterer Zinssenkungen durch die amerikanische
Notenbank. Die Europäische Zentralbank hat sich immerhin von der
starken Betonung der Inflationsgefahren verabschiedet und sich damit
neutral positioniert.

Dementsprechend haben sich die Aktienmärkte in der vergangenen
Woche etwas gefangen, und die Perspektive sieht nicht mehr ganz so
düster aus, wie sie noch vor wenigen Wochen erschien. Zwar ist eine
US-Rezession nach wie vor sehr wahrscheinlich, sie dürfte jedoch
genau wie 2001 leicht ausfallen und von vergleichsweise kurzer Dauer
sein. An Wall Street hat es daher keine neuen Kurseinbrüche gegeben.
Der wichtigste Benchmark-Index S&P500 hat in den zurückliegenden fünf
Handelstagen sein Niveau gehalten. Selbst neue schlechte Nachrichten
über Subprime-Belastungen beim größten US-Versicherer American
International Group wurden von den Anlegern weggesteckt, ohne dass es
zu neuen Verlusten auf breiter Front gekommen wäre.

Europa dürfte zwar eine spürbare Abschwächung des
Wirtschaftswachstums erfahren. Mit prognostizierten rund 1,5% wird
sich die Eurozone 2008 aber deutlich oberhalb der Nulllinie halten.
Auf Basis dieser Perspektive blieben dem Dax weitere Belastungen
erspart - trotz des IKB-Desasters. Der Leitindex hat die Woche
gegenüber vergangenem Freitag mit einem ganz leichten Plus von knapp
1% beendet.

Allerdings dürfte die Volatilität in den kommenden Wochen hoch
blieben, denn nach wie vor bleibt eine Reihe gewichtiger Risiken
bestehen. Die größte Gefahr für die Aktienmärkte geht derzeit von den
nach wie vor zu optimistischen Analystenschätzungen für die
Unternehmensgewinne im laufenden Jahr aus. An der Börse ist die
konjunkturelle Lage, so wie sie sich jetzt darstellt, noch nicht
hinreichend eingepreist. Erwartet wird für das Stoxx600-Universum
derzeit noch ein Anstieg der Gewinne im laufenden Jahr um 10%.
Goldman Sachs geht nach einer Top-Down-Analyse davon aus, dass ein
Rückgang um 8% erfolgt. Die Bewertungsniveaus sehen derzeit zwar
günstig aus, aber eben nur dann, wenn man die aktuellen
Ergebnisprognosen für realistisch hält.

Immerhin verläuft die aktuelle Quartalssaison nach Berechnungen
der Landesbank Baden-Württemberg auf Basis der zehn Dax-Werte, die
ihre Zahlen bereits vorgelegt haben, bis jetzt besser als erwartet.
Noch haben die Finanzmarktkrise und die konjunkturelle Abschwächung
die Unternehmen nicht mit voller Härte getroffen.

Letztlich aber spielt, was die wesentlichen Einflussfaktoren des
europäischen Aktienmarktes betrifft, die Musik in den USA. Gibt es
neue Hiobsbotschaften in Sachen Subprime von jenseits des Atlantiks,
könnten die Aktienmärkte erneut abtauchen.

(Börsen-Zeitung, 16.2.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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