(Registrieren)

LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Ärzte-Tarifen/Streiks:

Geschrieben am 12-05-2006

Leipzig (ots) - Zermürbend
Von Heidi EnssIrgendwie muss es ansteckend gewesen sein, das Wort
optimistisch. Wochenlang war es zu hören. Mal hieß es: Vorsichtig
optimistisch. Dann: Verhalten optimistisch. Gestern war es aus mit
dem Wort-Virus. Schluss mit den Beifügungen. Vielleicht auch mit der
Zuversicht selbst. Denn die zermürbenden Tarifverhandlungen zwischen
Ärzten und Ländern sind erneut gescheitert. Nach acht Wochen Streik
werden die Mediziner ihren Protest deshalb weiter verschärfen. Haben
sie eine andere Wahl?
Die Ärzte wollen sich ihrer Haut wehren. Die nämlich wurde lange zu
Markte getragen. Davon sind die Mediziner dünnhäutig geworden. Ihr
Protest ist deshalb nur allzu verständlich. Seit Jahren haben
Mediziner in zu vielen Einrichtungen mit der eigenen Gesundheit
Fehler der Politik ausgeglichen. Kandidaten für eine Reichensteuer
sind sie dadurch nicht geworden. Dagegen zehren lange und ungeregelte
Arbeitszeiten sowie unbezahlte Überstunden an Kraft und Verständnis.
Zeit, die Patienten gut tun würde, stiehlt die Bürokratie. Forschung
und Familie kommen eh zu kurz.
Solange das lief, war das für Arbeitgeber und Politiker so
selbstverständlich wie die Narkose vor der OP. Denn die Ärzteschaft
fühlte sich den Patienten gegenüber moralisch und ethisch
verpflichtet. An dieser Verpflichtung rüttelt auch heute kein
Mediziner. Das ist der Beruf, im besten Falle auch Berufung. Aber die
Mediziner sind nicht mehr gewillt, unter diesen Bedingungen im großen
Gesundheitsgetriebe zu arbeiten.
Notgedrungen hat deshalb das große Nachdenken begonnen. Zwar rechnen
die Finanzminister schon lange hin und her, doch den Ländern fehlt's
an Geld. Und ihre Situation ist unterschiedlich. Wenn sich aber
Länder nicht einig sind, sind sie ein schwer kalkulierbarer
Verhandlungspartner. Vor allem das erschwerte den Kompromiss - auch
wenn sich über manche Forderung des Marburger Bundes streiten lässt.
Einzelverträge sind jedoch keine Lösung. Die Ärzte wussten
andererseits von vornherein, dass ein Kompromiss gefunden werden
muss, der bezahlbar ist.
Nun, die Mediziner haben von ihrem Job her Stehvermögen. Aber was ist
mit den Kranken? Immer mehr Operationen werden verschoben. Was ist
mit den Arbeitsstätten? Die meisten Kliniken müssen inzwischen hohe
Verluste wegstecken. Das bisherige Streikresultat lautet: Kein
Ergebnis, aber Verlust von Vertrauen und Wirtschaftlichkeit. Noch
längere Arbeitsniederlegungen könnten sich die Ärzte eigentlich gar
nicht leisten. Die Länder aber ebenso wenig. Auch wenn beide Seiten
jetzt ihre Härte betonen, eine Einigung ist überfällig. Und sie wird
wahrscheinlich vor der Fußball-WM kommen.
Damit ist das Dilemma im Gesundheitswesen nicht ausgestanden. Nicht
nur die Klinikärzte rebellieren gegen schlechte Arbeitsbedingungen,
sondern auch ihre niedergelassenen Kollegen. Wenn also jetzt über die
neue Gesundheitsreform debattiert wird, könnte für vieles eine Lösung
angedacht werden - vorsichtig optimistisch betrachtet.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

12156

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Die Gefahren des Rassismus Düsseldorf (ots) - Von Godehard Uhlemann Der Aufschrei nach den rassistischen Bluttaten von Belgien dringt weit über die Landesgrenzen hinaus. Sie machen betroffen und sie schockieren. Die europäischen Gesellschaften haben alle mit den Gefahren des offenen und des latenten Rassismus zu kämpfen. Sie alle verstehen sich als frei und tolerant, und sie alle müssen erkennen, dass Teile ihrer Bevölkerung ganz anders denken und menschenfeindlich handeln. Übergriffe auf Ausländer gibt es in Frankreich ebenso wie in Polen, den Niederlanden oder mehr...

  • Rheinische Post: Spagat aushalten Düsseldorf (ots) - Von Thomas Wels So verfahren war selten eine Tarifauseinandersetzung wie die der Krankenhausärzte mit den Ländern. Zufrieden kann mit der Situation niemand mehr sein. Die Finanzminister würden wohl am liebsten ihren Verhandlungsführer Möllring von der Zinne ziehen, können es aber nicht, weil damit ihre Position massiv geschwächt würde. Gleichwohl dürfte die Verhandlungstaktik in eigener Sache, die Möllring an den Tag legt, ein Nachspiel haben. Der Kassenchef Niedersachsens hat sein Problem mit der Zahlung von Weihnachtsgeld mehr...

  • Rheinische Post: Fanta wächst nicht Düsseldorf (ots) - Von Torsten Casimir Es gibt keine Maikäfer mehr", hat Reinhard Mey gesungen. Das muss in den Siebzigern gewesen sein. Es stimmte schon damals nicht. Aber es klang schön traurig. So wurde sein Lied gern gehört. Jetzt könnte der Mann ein noch traurigeres Lied singen: Es gibt keine Maikäferfänger mehr. Jedenfalls kaum noch welche. Ein Drittel aller Schüler zwischen zwölf und 15 Jahren hatte noch nie einen Käfer in der Hand, auch keinen Schmetterling. Natur wird nicht mehr erfahren. Sie dient bloß als Erlebnis-Kulisse: mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: CDU kein Verlierer / Kanzleramtsminister weist Kritik aus der eigenen Partei zurück Halle (ots) - Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) ist dem Vorwurf aus der eigenen Partei entgegengetreten, die Arbeit Bundesregierung trage eine zu starke sozialdemokratische Handschrift. In einem MZ-Interview sagte er, die Union zahle keinesfalls einen höheren Preis für den Erfolg der Koalition als die SPD. Es sei aber ein Fehler gewesen, mit der Koalitionsvereinbarung nicht zugleich das beschlossene Finanztableau zu veröffentlichen. Darin seien bereits alle Projekte wie die gekürzte Pendlerpauschale und die so genannte Reichensteuer mehr...

  • LVZ: Struck: Unternehmenssteuerreform kommt nur bei Aufkommensneutralität / Umverteilung durch Steuern bleibe Ziel der SPD-Regierungspolitik / Aber: Die SPD darf die Unternehmen in Deutschland nicht a Leipzig (ots) - SPD-Bundestags-Fraktionschef Peter Struck hat versichert, dass es eine Unternehmenssteuerreform durch die große Koalition nur "bei Aufkommensneutralität" für den Bundeshaushalt geben werde. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe) sagte Struck: "Wir halten uns an die Koalitionsvereinbarungen. Die sind als Handlungslinie für uns in der Regierung von der SPD auf einem Parteitag und auch in der SPD-Bundestagsfraktion beschlossen worden. Es gilt das Prinzip der Aufkommensneutralität." Aufgeregte mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht