Westdeutsche Zeitung: Tibet = von Friedrich Roeingh
Geschrieben am 16-03-2008 |
Düsseldorf (ots) - Wie sich die Begriffe ähneln: Der Dalai Lama spricht vom "kulturellen Völkermord", den die Chinesen an den Tibetern verübten. Die chinesische Führung hat dagegen den "Volkskrieg gegen den Separatismus" ausgerufen. Verräterischer kann man die brutale Niederschlagung der tibetischen Aufstände in Lhasa nicht bezeichnen. Mit ihrer Formel buhlt die KP im Milliardenvolk der Chinesen darum, Autonomie-Bestrebungen aller Minderheiten des Riesenreiches im Keim zu ersticken. Denn nicht nur am Himalaya wird regionalen Volksgruppen die chinesische Einheitskultur aufgezwungen, und nicht nur in Lhasa wird die Pflege kultureller Identität mit aller Brutalität niedergeschlagen. Nur nimmt die Weltöffentlichkeit von diesen ähnlich gelagerten Konflikten keine Notiz. Die Drohung mit dem "Volkskrieg" macht zugleich die Entschlossenheit der chinesischen Führung deutlich, das Aufbegehren der Tibeter in aller Konsequenz zu unterdrücken. In keiner anderen Region Chinas sollen sich ethnische Minderheiten aufgefordert fühlen, für ihre eigenen Rechte einzutreten. So scheinen sich die Olympischen Spiele, mit denen viele die Hoffnung einer Öffnung Chinas verbunden hatten, zunächst sogar als Bumerang zu erweisen. Denn nichts fürchtet die chinesische Führung mehr, als dass Minderheiten und Oppositionelle die Weltöffentlichkeit nutzen könnten, um auf sich aufmerksam zu machen. Entsprechend konsequent werden Regimegegner im ganzen Land schon im Vorfeld eingeschüchtert und verfolgt. Nachdem sich der Machtapparat der KP vom Kommunismus verabschiedet hat, verteidigt er nun mit allen Mitteln die Einheit des heterogenen Reiches. Der Zerfall der Sowjetunion unter Gorbatschow und Jelzin dient ihm dabei als Menetekel einer falschen Lockerung der Zügel. Den Partnern Chinas kann man nur die Doppelstrategie empfehlen, die die deutsche Kanzlerin seit geraumer Zeit fährt. Zuerst die Einheit Chinas anzuerkennen und zugleich auf die Einhaltung der Menschenrechte zu pochen, zu denen zweifellos die Bewahrung kultureller und religiöser Identitäten zählt. Die Welt sollte nicht die olympischen Spiele boykottieren. Die Welt sollte diese Spiele nutzen, um die chinesischen Wirklichkeiten besser auszuleuchten.
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