LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Tibet/China
Geschrieben am 21-03-2008 |
Leipzig (ots) - Chinesische Propaganda ist schon unter spannungsfreien Umständen eine schwer verdauliche Melange aus Behauptungen und Selbstbeweihräucherungen. Dass Steigerungen möglich sind, zeigt sich immer dann, wenn sich Peking durch Opposition und internationale Kritik herausgefordert sieht. Derzeit zu besichtigen in Tibet: Die Dalai-Clique, so Premierminister We Jiabao allen Ernstes, sei Schuld an der Gewalt, deren Ziel der Boykott der Olympischen Spiele. Vergeblich müht sich der Dalai Lama, China seine Akzeptanz der tibetischen Autonomie und seine Ablehnung von Gewalt und Boykott nahezubringen. Als ob es keinen Frust über die erdrückende chinesische Dominanz gegenüber der einheimischen Bevölkerung und eine damit einhergehende soziale Benachteiligung gäbe, die nachgerade Aufstände provozieren muss, repetiert Peking, der Dalai Lama lüge. Wenn Tibets Aufständische tatsächlich Krawallmacher, Gewalttäter und Kriminelle sind, warum weist Peking dann ausländische Journalisten aus und warum zensiert es die Bilder? Derartige Belege würden doch eher Chinas Behauptungen stützen. Die Antwort ist simpel: Peking will das Thema Tibet so schnell und geräuschlos wie möglich aus den Medien haben. Die internationale Reaktion darauf kann nur sein, das Thema so lange und so deutlich wie nötig auf der Agenda zu halten. Der demonstrative Besuch des Dalai Lamas durch die Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, war ein richtiger Schritt, dem eine weitere internationale Aufwertung des geistlichen Oberhauptes folgen muss. So paradox es klingt: Dies wäre nicht zuletzt auch im Interesse Chinas. Denn jenseits der Gewaltfreiheit predigenden geistlichen Führung findet eine Radikalisierung tibetischer Jugendlicher statt, auf die der Dalai Lama nur noch begrenzt Einfluss hat. Gewinnen sie das Sagen, dann droht eine Eskalation der Gewalt.
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