WAZ: Schwarz-Grün in Hamburg - Die deutsche Vertagungsdemokratie - Leitartikel von Angela Gareis
Geschrieben am 18-04-2008 |
Essen (ots) - Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. In Hamburg wirkte er besonders zauberhaft, weil besonders verfeindete Parteien sich vertragen haben und miteinander regieren, was neue Machtoptionen und exotische Fantasien befördert. Man könnte das postideologische Zeitalter der pragmatischen Politik anbrechen sehen, das die Parteiendemokratie in eine Vernunftsdemokratie erhebt. Wenn Moorburg nicht wäre. Das erste Projekt der ersten schwarz-grünen Koalition ist bereits umgesetzt. Das Kohlekraftwerk in Moorburg bleibt eine Baustelle. Mit einigen Tricks haben die Koalitionäre eine endgültige Entscheidung auf die Zeit nach ihrer Regierung vertagt. Für Vattenfall bedeutet das Planungsunsicherheit, was mancher nur bedingt bedauern wird. Aber Moorburg spiegelt, und das muss man unbedingt bedauern, beispielhaft eine Planungsunsicherheit für die ganze Republik. Keine Einigung, vertagt. Nach diesem Prinzip verfährt die Große Koalition andauernd. Atomausstieg, Steuerreform, Gesundheitsreform, Bahnprivatisierung - keine Einigung, vertagt oder portionsweise vertagt. Zynisch formuliert sind das Zukunftsprojekte; sie haben erst dann eine erkennbare Zukunft, wenn Wähler wieder eine klare Lagermehrheit schaffen. Bis dahin wird man mit Deutungen gefoltert. SPD: Mehr war mit der Union nicht drin. Union: Wir haben Schlimmeres gegen die SPD verhindert. Und umgekehrt. Schwarz-Grün erweitert bloß das Vokabular. Mehr war mit den Grünen.
In Hamburg zeigt sich zudem einmal mehr, wie verschlungen lagerübergreifende Politik funktioniert, wenn tatsächlich Einigung gelingt. Die CDU vertieft die Elbe, dafür verlängern die Grünen die Grundschulzeit um zwei Jahre. Bei der nächsten Wahl droht Hamburgern bei vertiefter Elbe ein neues Schulmodell, weil die CDU nur um der Machtoption willen ihre Vorbehalte verbirgt und weiter von Schwarz-Gelb träumt. Wähler haben kaum noch die Chance zu ahnen, für welche aktive Politik sie stimmen. Grob berechnen können sie nur die passive Politik, also das, was in bestimmten Konstellationen vertagt wird.
Auch der Zauber des Anfangs der Großen Koalition bestand in der Entideologisierung der Volksparteien. Doch was als pragmatische Politik versprochen wurde, erweist sich als Täuschung. Erfunden wurde die Vertagungsdemokratie, weil die Volksparteien sich im Widerstand gegeneinander profilieren, von anderen Mehrheiten träumen und die grundsätzliche Frage ignorieren: Was muss für Bürger auf Jahre verlässlich gestaltet werden?
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 / 804-2727 zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
131991
weitere Artikel:
- Der neue Tag: Kommentar zum Papst-Treffen mit Missbrauchsopfern Weiden (ots) - "Dieser Papst aus Marktl am Inn, mag man nun Benedikt-Fan sein oder nicht, ist fähig und in der Lage zu großen humanen Gesten und herausragender Herzensgüte. Zwar hat er sich bisher nicht überall und immerzu beliebt gemacht, etwa durch die Regensburger Attacke auf Mohammed oder das jüngste Fürbitten-Ansinnen an die Juden, sie möchten doch Jesus als Gottes Sohn anerkennen. Doch über diese theologischen Feinheiten hinaus kann der Papst auch ins populäre Fach der Mitmenschlichkeit greifen. Wie es der Pontifex, der Brückenbauer mehr...
- Allg. Zeitung Mainz: Klar und eindeutig Mainz (ots) - Peter Königsberger zum Papst in USA Es ist nie zu spät, Schuld anzuerkennen, Buße zu tun, vor allem aber dafür zu sorgen, dass sich Schlimmes nicht wiederholt. Papst Benedikt XVI. wusste genau, was er tun musste, als er sich entschloss, die USA zu besuchen. Denn die Menschen dort - und beileibe nicht nur die Katholiken - warten seit sieben Jahren auf ein klares und eindeutiges Bekenntnis des Vatikans zu den sexuellen Untaten vieler amerikanischer Priester in den vergangenen 50 Jahren. Mit Josef Ratzinger, dem ehemaligen, mehr...
- Allg. Zeitung Mainz: Trojaner überall Mainz (ots) - Klaus Beck zu Innenministern Wie viel Überwachung muss sein, wie viel Überwachung darf sein? Die Antworten sind im politischen Sinn standortabhängig und darüber hinaus geprägt von den jeweiligen Erfahrungen und Lebenssituationen derer, die sie gerade geben müssen. Und das waren im aktuellen Fall die Länderinnenminister bei ihrer Tagung in Bad Saarow. Selbstverständlich sind die Herren nicht zu beneiden, dass sie aber am Ende nicht mehr bewerkstelligen als einen einzigen tatsächlich unumstrittenen Beschluss, und zwar mehr...
- Rheinische Post: Der spähende Staat Düsseldorf (ots) - Von Gregor Mayntz Auf der Suche nach dem Sinn der Sicherheitsgesetze kann sich der Laie mitunter nur noch an den Kopf fassen. Die neuen Vorschriften fürs Bundeskriminalamt machen es zwar möglich, dass bei Tante Frieda und Onkel Gustav heimlich Kameras und Wanzen in der Wohnungen installiert werden, weil ab und zu der Neffe zu Besuch kommt und der unter Terrorverdacht steht. Aber beim Neffen heimlich den Computer zu manipulieren, damit das BKA die Terrorpläne verfolgen kann, das dürfen die Fahnder nicht. Tief in die mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Papstbesuch in den USA Bielefeld (ots) - »Keines meiner Worte kann den Schmerz und den Schaden beschreiben, den solcher Missbrauch bringt. Es ist wichtig, dass denen, die gelitten haben, liebende, seelsorgerische Aufmerksamkeit zuteil wird.« Erst ließ Benedikt XVI. mit ungewöhnlich klaren Worten im Baseballstadion von Washington vor aller Öffentlichkeit aufhorchen, dann folgten der Predigt Taten. Hinter verschlossenen Türen stellte er sich den Opfern sexuellen Missbrauchs durch seine eigenen Priester. Der Mann an der Spitze von einer Milliarde Katholiken ging mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|