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Journalisten müssen jetzt Scheinwerfer auf China richten

Geschrieben am 22-04-2008

Wien (ots) - Tote in Tibet, Olympische Spiele in Peking - wie
gehen die Journalisten damit um? Beim European Editors Forum 2008
diskutierten heute im Wiener Rathaus der Europa-Gesandte des Dalai
Lama, Kelsang Gyaltsen, und Chefredakteure europäischer Medien unter
der Leitung von "Presse"-Chefredakteur Michael Fleischhacker über die
zu erwartende journalistische Gratwanderung der nächsten Monate.

"Wir dürfen das Licht nicht ausknipsen, sondern müssen vielmehr
unsere Scheinwerfer auf die dunklen Seiten in China richten, sagte
Andreas Cichowicz, Chefredakteur des NDR und für die ARD für die
Chinaberichterstattung zuständig, auf die Frage, ob ein Boykott das
angemessene Mittel der westlichen Welt auf die Vorgänge in Tibet sei.
Diese Haltung unterstützte auch Gyaltsen, der den Medien allerdings
vorwarf, dass sie in den zurückliegenden Jahren die unmenschliche
Entwicklung in Tibet überhaupt nicht berücksichtigt haben. Der
Chefredakteur der Schweizer Tageszeitung "Le Matin", Peter
Rothenbühler, nahm diese Kritik an: "Es stimmt, unsere Frauen lesen
mit Begeisterung die Bücher des Dalai Lama und er ist unbestritten
eine der weltweit ganz großen charismatischen Figuren, aber getan
haben wir für die Anliegen Tibets nichts."

Intensiv wurde beim Editors Forum, das traditionell der Höhepunkt
am letzten Tag beim European Newspaper Congress ist, über die Rolle
des IOC diskutiert. "Was wir eben erleben, ist eine riesige
Heuchelei", sagte der Informationsdirektor des ORF, Elmar Oberhauser.
Das IOC habe vollkommen versagt, denn man wusste ganz genau, was in
Tibet passiert. "Herr Rogge hätte zehn Jahre lang Zeit gehabt, auf
die Probleme aufmerksam zu machen, und man hätte in letzter
Konsequenz die Olympischen Spiele erst gar nicht an China vergeben
dürfen", sagte Oberhauser. Und im übrigen könne man schon gespannt
sein, wie wir uns in einigen Jahren mit demselben Thema beschäftigen
werden, dann aber in Tschetschenien. Er sei grundsätzlich dafür, dass
die Spiele in China stattfinden, sagte Rothenbühler, weil China
derzeit einer der weltweit spannendsten Schauplätze sei. "Es ist
allerdings völlig falsch, politische Anliegen an China an das IOC und
die Sportler zu delegieren. Das IOC ist eine undemokratische, leicht
korrupte und von Geld gesteuerte Organisation"; sagte der "Le
Matin"-Chefredakteur.

Dass die Olympischen Spiele 2008 in Peking stattfänden, sei sehr
wohl eine politische Entscheidung und daher könne man sich auch nicht
auf Sportberichterstattung reduzieren, erklärte Uwe Vorkötter,
Chefredakteur der "Frankfurter Rundschau". Man müsse sich aber
ernsthaft fragen, ob die Redaktionen auf diese Situation ausreichend
vorbereitet seien. NDR-Chefredakteur Cichowicz sieht für die ARD
diese Hausaufgabe als erledigt an. Bereits 2007 habe die ARD das
Studio in Peking auf vier Reporter aufgestockt, drei davon sind
übrigens Frauen. Mit Sorge beobachte er aber den wachsenden Druck in
Deutschland. Kritische Fragen an die Wirtschaft und an Sponsoren, wie
sie mit der aktuellen Situation umgehen, hätten dem NDR bei
Volkswagen großen Ärger eingebracht. Interviews der
NDR-Sportberichterstatter würden derzeit konsequent von VW
verweigert.

Dass die Eröffnung der Spiele 2008 in Peking eine "Eröffnung der
leeren Stühle wird", träumt Rubina Möhring, Vizepräsidentin von
Reporter ohne Grenzen. Auch der Europa-Gesandte des Dalai Lama mahnte
die Regierungschefs in der Wahl ihrer Gesten. China fürchtet den
Gesichtsverlust, wenn die Chefs nicht zur Eröffnung der Spiele kommen
würden. Er selbst fürchte aber, dass nach diesem Sommer in Tibet noch
alles viel schlimmer kommen wird. "Die Chinesen werden alles
unternehmen, dass es nie wieder eine Erhebung der Tibeter geben wird,
so wie wir sie derzeit erleben"; sagte Gyaltsen.

Noch bis heute Nachmittag tagen mehr als 500 Chefredakteure und
Führungskräfte aus europäischen Zeitungsverlagen beim größten
europäischen Zeitungskongress in Wien.

Originaltext: Medienfachverlag Oberauer GmbH
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66148
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66148.rss2

Pressekontakt:
Thomas Hofbauer, Tel. 0043/676/922 36 27


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