WAZ: Angriff als Ablenkung - SPD & Union oder: Wem das Glück fehlt - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 11-06-2008 |
Essen (ots) - Wenn du bei deinem Gegner eine Wunde gefunden hast: Gib dir keine Mühe, such nicht länger. Nach dieser so einfachen wie einfallslosen Taktik verdrischt die CDU die SPD. Was deren Generalsekretär Pofalla über die SPD sagt - sie sei keine Volkspartei mehr, versage gegen die Linke, habe keinen Kanzlerkandidaten - ist zwar nicht falsch, aber erschreckend durchsichtig.
Beispiel Kanzlerkandidat: Damals konnte Helmut Schmidt den Pfälzer Helmut Kohl so lange verhöhnen, bis Franz Josef Strauß es wurde, um zu verlieren. Angela Merkel bekam erst ihre Chance, nachdem Wolfgang Schäuble an sich selbst gescheitert war und Edmund Stoiber gezeigt hatte, dass Deutschland lieber ohne CSU-Kanzler auskommt. Jede Opposition tut sich schwer mit ihrem Kanzlerkandidaten und die Union hat dieses Problem ausschließlich nur deshalb nicht, weil sie gerade die Kanzlerin stellt. Die Politik funktioniert eben nach dem Abba-Motto: The winner takes it all. Der Verlierer geht nicht nur leer aus, sondern hat auch noch allen Ärger.
Beispiel Linkspartei: Pofallas Behauptung, die SPD habe im Kampf gegen die Linkspartei versagt, enthält die Unterstellung, es sei ausschließlich Sache der Sozialdemokraten, die Linkspartei zu neutralisieren. Das ist falsch. Zwar will Lafontaine sich an der SPD rächen, aber dessen Partei kann auch im bürgerlichen Lager punkten: Die Angst vor dem Abstieg aus der Mitte plus DDR-Geschichtsvergessenheit ist weit über SPD-Sympathisanten hinaus verbreitet. Indem Pofalla dieses Problem der SPD in die Schuhe schiebt, lenkt er davon ab, dass die Union hierauf keine Antwort hat.
Beispiel Volkspartei: Wahr ist, dass es nicht mehr lange dauert, bis die Union mehr Mitglieder hat als die SPD. Aber doch nicht doppelt oder dreimal so viele. Beide liegen gleichauf; kommt deshalb jemand auf den Gedanken, der CDU den Volkspartei-Charakter abzusprechen? Die SPD steckt in einer Legitimationskrise; dies aber vor allem deshalb, weil sie mit der anspruchsvollen Vision von einer gerechten Gesellschaft nichts weniger unternehmen will, als die Welt zu verbessern. In diese Gefahr ist die Union noch nie geraten (Angela Merkels Versuch als Weltklimakanzlerin war diesbezüglich auch nur ein Ausrutscher). Die Union steht öffentlich besser da, weil sie anspruchsloser und disziplinierter ist. So richtig zufrieden mit sich ist sie aber nicht. Das, die wachsende Unzufriedenheit der Union mit ihren Vorturnern, steckt in Wahrheit hinter Pofallas Angriff auf die SPD. Vom ausgestreckten Finger seiner Hand zeigen drei auf ihn zurück.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 / 804-2727 zentralredaktion@waz.de
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