Allg. Zeitung Mainz: Keine guten Aussichten (Kommentar zur Türkei)
Geschrieben am 28-07-2008 |
Mainz (ots) - Waren es die Kurden der PKK, waren es Islamisten oder Linksextremisten, die in Istanbul mit zwei Bomben 17 Menschen töteten und 150 weitere verletzten? Niemand kann derzeit mit Gewissheit sagen, wer die Verantwortung trägt, auch wenn in der Türkei natürlich alle sofort auf die kurdische PKK zeigen. Dafür gibt es jedoch weder Beweise, noch passt es nach übereinstimmender Expertenmeinung ins Bild dieser Organisation, die kürzlich mit der Entführung von deutschen Touristen wieder auf sich und die Kurden im Land aufmerksam gemacht hatte. Wer immer das Attentat auch verübt hat, das Ziel ist klar: Die Menschen sollen in einer sehr heiklen innenpolitischen Situation weiter verunsichert werden. Denn derzeit steht nichts Geringeres auf dem Spiel als die verfassungsrechtliche Klärung der Frage, ob sich die Türkei von ihren politischen Grundfesten weg bewegen darf oder nicht, wenn die Wähler das in ihrer Mehrheit so wollen. Staatsgründer Kemal Atatürk hatte in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine strikte Trennung von Staat und Religion festgeschrieben. Das Militär sieht sich seitdem als Wahrer dieser Vorgabe und hat nie gezögert, das notfalls auch mit Gewalt zu erzwingen. Die AKP ist erklärtermaßen eine islamische Partei, die sich, demokratisch gewählt, zum Ziel gesetzt hat, auch das öffentliche Leben des Landes in ihre Richtung zu verändern. Ihr kann deshalb in den nächsten Tagen ein Verbot drohen. Die Bomben von Istanbul treffen also ein Land, das ohnehin schon in großem Aufruhr ist, das bitter zerstritten ist über seinen Weg in die Zukunft. Geht das so weiter, wird sich vermutlich das Militär - wie schon so oft - der Sache annehmen. Keine guten Aussichten für eine Nation, die Mitglied der EU werden will.
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