LVZ: DDR-Mythos zwischen Ferienheim und Stasi-Knast
Geschrieben am 11-09-2008 |
Leipzig (ots) - Von Micha Schneider Bereits kurz nach dem Wendeherbst '89 und der deutschen Einheit tauchten - zaghaft noch - die ersten Stimmen auf, die anmahnten, in der DDR sei doch nicht alles schlecht gewesen. Knapp zwanzig Jahre später drückt sich diese Art von Realitätssinn darin aus, zu konstatieren, dass nicht alles gut gewesen sei. So wie die Sicht nach der Zeit des millionenfachen Todes durch den Nationalsozialismus zwischen Autobahnbau und Konzentrationslager liegt, so zeigt sich ein DDR-Bild zwischen ungetrübter Freude im FDGB-Ferienheim und Stasi-Knast. Es ist nur schwer möglich, das Funktionieren und die Rolle des Einzelnen in diktatorischen Systemen vorurteilsfrei aufzuhellen, solange Beteiligte als Opfer und Täter noch leben. Zu sehr spielen da Anklage auf der einen und Verdrängen auf der anderen Seite mit. Ohne Erfahrungen der Beteiligten allerdings wird die Aufarbeitung ein wissenschaftlich-technokratischer Akt bleiben, der schnell in verallgemeinernde Schwarz-Weiß-Muster gerät. Mit verstärktem Geschichtsunterricht allein wird sich kein umfassendes DDR-Bild zeichnen lassen. Fakten können sicher vermittelt werden, damit vielleicht nicht mehr Adenauer und Honecker verwechselt werden. Die sozialen, menschlichen Auswirkungen innerhalb der Diktatur können nachhaltig aber nur über persönliche Erfahrungen weitergegeben werden. So rüttelte bei vielen meiner Altersgruppe die Lektüre des "Tagebuch der Anne Frank" mehr Emotionen wach, als die rational wie emotional schwer fassbare Zahl von Millionen Toten durch das NS-Regime. So wird das DDR-Bild der jetzt heranwachsenden Generation weiter durch Eltern und Großeltern mit geprägt. Und die waren von Hause aus nicht gut oder böse, sondern leiteten durch individuelle Erfahrungen und Überzeugungen ihr Handeln ab. Nicht allein durch Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation definiert sich die Rolle im Unrechtssystem. Hier muss die persönliche Erkenntnis ansetzen - ohne zu beschönigen oder schwarz zu malen. Trotzdem war es richtig, dass im sächsischen Landtag über dieses Thema diskutiert wurde. Es wäre zumindest ein Anfang, wenn offensichtlich falsche Mythen weggefegt würden. Zum Beispiel die der vollen Gleichberechtigung der Frau im Sozialismus. In der Schuhfabrik, in der neben meiner Mutter 250 Frauen am Band standen, war ein einziger Mann beschäftigt - als schwadronierender Parteisekretär. Zum Vollmitglied im SED-Politbüro schaffte es keine einzige Frau, es gab keine Bezirksparteichefin und nur zwei Ministerinnen - und die waren die berüchtigte Richterin Hilde Benjamin und die für Erziehung zuständige Margot Honecker.
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