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WAZ: Zum Kongress der Philosophen - Wir brauchen Denker - Leitartikel von Christopher Onkelbach

Geschrieben am 17-09-2008

Essen (ots) - Wofür brauchen wir Philosophen? Wir benötigen
Maschinenbauer, Elektrotechniker, Logistiker, IT-Spezialisten,
Mediziner! Die Wirtschaft klagt, dass zehntausende Ingenieurstellen
unbesetzt sind. Hat irgendjemand nach Philosophen gerufen? In Zeiten,
da Studienleistungen nach Credit Points berechnet werden, wo
Verwertbarkeit des Wissens gefragt ist und Ideen produktfähig sein
sollen, haben es die Muße benötigenden Denker schwer.

Wir brauchen Philosophen. Sie zeigen, dass das Leben mehr ist als
es zu Geld zu machen. Die Philosophie fragt nach der Position des
Menschen in der Welt, in der Gesellschaft, in ganz bestimmten
Lebenslagen. Sie gibt Antworten auf Fragen, die keine andere
Wissenschaft lösen kann. Was ist gut, was ist böse, was ist
Gerechtigkeit, was ist der Sinn des Lebens? Konkreter: Die Biologie
erforscht alles Lebendige, gibt aber keine Antwort darauf, wann und
ob ein Lebewesen getötet werden darf. Die Rechtswissenschaften
untersuchen, was dem Gesetz entspricht, doch was in einem Gesetzbuch
stehen soll, übersteigt ihren Rahmen. Noch konkreter: Wo sehen wir
die Grenzen der Gentechnik? Wie regeln wir die Sterbehilfe? Was ist
Menschenwürde? Was sind unsere Maßstäbe im Umgang mit der Natur, mit
der Technik? All dies sind philosophische Fragen, die jeden
betreffen.

Wir brauchen Philosophen. Denn in einer Welt, die stetig
komplizierter wird, ist Orientierung nötiger denn je. In vielen
Lebensfragen lösen sich tradierte Gewissheiten auf - in der
Erziehung, in der Partnerschaft, im Glauben und auch in der
Wirtschaft. Unternehmensethik unter den Bedingungen der
Globalisierung ist ein Feld für Philosophen. Das Verdienst des
Essener Kongresses ist es, nach dem Nutzen der Philosophie für den
Menschen zu fragen und das Wissen dorthin zu tragen, wo schon
Sokrates seine Vorlesungen hielt: auf den Marktplatz. Und mitten im
Leben finden Philosophen heute ihre Aufgabe: als Unternehmensberater,
in der Werbung, den Medien, im Tourismus, in der Bildung, in
Verlagen.

Wir brauchen Philosophen. Denn sie hinterfragen Dinge, die uns
selbstverständlich erscheinen. "Die Gedanken sind frei", "Die Welt
ist, was sich im Universum befindet", "Wahrheit ist, was wir
erkennen". Das Befragen solcher "Wahrheiten" ist das Thema der
Philosophie. So fing alles an, in der Antike, als der Mensch sich
denkend löste von Mythen und Göttern und dem stillen Glauben die
fragende Vernunft beiseite stellte. Aufklärung ist bis heute das
Kerngeschäft der Philosophie. Was es dazu braucht? Nur Neugierde.
Aristoteles sagte: Staunen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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