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Börsen-Zeitung: Im Teufelskreis Kommentar zu den Märkten, von Claus Döring

Geschrieben am 10-10-2008

Frankfurt (ots) - Bankenkrise, Finanzkrise, Weltwirtschaftskrise.
Das ist der Komparativ, der die Märkte erfasst hat und in Panik
versetzt. Am liebsten möchte man die Augen schließen beim Anblick des
Kursgemetzels an den Aktienmärkten. Doch das hielte den Absturz
ebenso wenig auf wie die vorübergehende Schließung der Börsen, die
nun ins Gespräch kommt. Besser, der Ausverkauf findet in geordneten
Bahnen und beaufsichtigten Märkten statt als im Chaos. Solange Handel
stattfindet, ist die Hoffnung nicht verloren. Schließlich steht jedem
Aktienverkäufer und damit Pessimisten auch ein Käufer und damit
Optimist gegenüber.

So dramatisch sich die zurückliegende Woche ausnimmt, in der sich
allein im Dax eine Marktkapitalisierung von gut 130 Mrd. Euro in Luft
aufgelöst hat - vom Tief des deutschen Leitindex von 2189 Punkten aus
dem März 2003 sind wir noch deutlich entfernt. Ein Trost? Der nackte
Vergleich von Indexständen führt in die Irre: 2003 ist nicht 2008.
Der fundamentale Unterschied zum Absturz 2003 infolge der geplatzten
Technologieblase ist, dass jetzt nach dem Platzen der Immobilienblase
die Welt der Banken und Finanzen in ihren Grundfesten erschüttert ist
und morgen völlig anders aussehen wird.

Zwei linke Hände

Auch die Unterscheidung in Finanz- und Realwirtschaft war gestern,
jetzt kumulieren die Probleme beider Welten. Nach den Giganten der
Wall Street wanken die Ikonen der Industrie. Schon sorgt der drohende
Flächenbrand dafür, dass die Apologeten des Weltuntergangs die
Schlagzeilen erobern. Der Glaube an die unsichtbare Hand des Marktes
ist tief erschüttert, die starke Hand des Staates soll es richten.
Doch welcher Staat, welche Hände? Erleben wir nicht gerade in den
USA, dass es sich um zwei linke Hände handelt?

Das Krisenmanagement von US-Finanzminister Hank Paulson ist
gescheitert, sein Nimbus ramponiert wie der seines früheren
Arbeitgebers, der Investmentbank Goldman Sachs. Mit jedem Tag der
Krise dokumentiert die US-Regierung ihre Hilflosigkeit. Die
Rettungsmaßnahmen verlangen in immer kürzeren Abständen immer größere
Summen, eine Fehlentscheidung jagt die andere: nach Lehman-Pleite und
700-Mrd.-Dollar-Bail-out folgte die direkte Industriefinanzierung
durch die US-Notenbank über Annahme von Commercial Papers. Kann man
sich eine deutlichere Kapitulation des US-Bankensektors vorstellen?

Schlimmer noch: Auch die Notenbanken haben sich in den Strudel des
Vertrauensverlustes ziehen lassen. Denn die konzertierte Zinssenkung
der sechs Notenbanken verpuffte, kaum dass sie verkündet war. Fazit:
Auch die Währungspolitik ist mit ihrem Latein am Ende. Der monetäre
Transmissionsmechanismus funktioniert nicht in der jetzigen Lage. Das
Signal, das die Hüter der Währungen mit ihrer konzertierten Aktion in
die Welt schicken wollten - dass sie den Ernst der Lage erkannt haben
und sich gemeinsam gegen die Krise stemmen werden -, ist zum Signal
ihrer Hilflosigkeit geworden.

Der Staat als Banker

So bitter es ist nach den bisherigen Erfahrungen, jetzt bleibt nur
noch eine Institution, die den Teufelskreis durchbrechen kann: der
Staat. Nicht deshalb, weil Politiker die besseren Banker wären,
sondern deshalb, weil allein der Staat wieder Vertrauen schaffen
kann. Mit der weitgehenden Garantie der Spareinlagen wurde dem Run
der Anleger auf die Banken vorgebeugt. Das hat den Steuerzahler
(bisher) nichts gekostet, aber Vertrauen erhalten.
Jetzt muss die Garantie der Institute folgen. Die deutsche
Bundesregierung und die Bundesbank denken deshalb in die richtige
Richtung, wenn sie sich Großbritannien zum Vorbild nehmen.
Allerdings: Eine Patronatserklärung ist eine notwendige, nicht aber
eine hinreichende Bedingung zur Wiederherstellung des Vertrauens. Nur
Kapital zur Verfügung zu stellen, ob als Fremdkapital in Verbindung
mit Bürgschaften oder als Einstieg ins Eigenkapital über
Vorzugsaktien, reicht nicht. Ein "weiter so" mit einfach nur besserer
Kapitalausstattung darf es dann nicht geben.

Die Rezession kommt

Wenn der Staat und damit Steuerzahler eine Bank rettet, indem er
Eigenkapital gibt und Aktionär wird, muss er das Heft in die Hand
nehmen und für einen Neuanfang sorgen: beim Management und beim
Geschäftsmodell. Banken, die "too big to fail" waren, müssen auf
Dimensionen zurechtgestutzt werden, von denen künftig kein
systemisches Risiko mehr ausgeht.
Je konsequenter unter der Regie des Staates als Aktionär die
Neuordnung der Bankenwelt vorangetrieben wird, desto schneller wird
im Zuge einer befristeten Verstaatlichung das Vertrauen zurückkehren
und die spätere Reprivatisierung möglich sein.
Vor einer Illusion sollte man sich bei diesem Szenario hüten: Selbst
wenn es gelingt, in einem koordinierten internationalen Kraftakt das
Finanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren - die Rechnung in Gestalt
einer tiefen Rezession wird kommen und die Aktienmärkte noch öfters
auf Talfahrt schicken.

(Börsen-Zeitung, 11.10.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Pressekontakt:
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Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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