Bundekanzlerin Angela Merkel im RTL-Interview:
Geschrieben am 13-10-2008 |
Köln (ots) - Nach der Bekanntgabe des Beschlusses der Bundesregierung, die Finanzbranche mit einem Rettungspaket in Höhe von fast 500 Milliarden Euro zu unterstützen, gab Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montagnachmittag dem Fernsehsender RTL im Bundeskanzleramt das nachfolgende Interview. Die Fragen für die Hauptnachrichten "RTL Aktuell" stellte Chefredakteur Peter Kloeppel. Das komplette Interview zeigt heute auch das "RTL Nachtjournal" ab 00.00 Uhr. Achtung: Quellenhinweis "RTL Aktuell" beachten.
Frau Bundeskanzlerin, eine ganz persönliche Frage: Wie haben Sie heute Nacht geschlafen? Wie die Märkte mittelfristig reagieren, kann man ohnehin nicht vorher sehen. Wir können uns jetzt nicht von jedem Börsenkurs abhängig machen. Wir müssen sehen, dass wir eine neue Finanzmarktverfassung hinbekommen. Die ist umfangreich, da haben wir auch noch ein Stück vor uns. Das war heute der erste Schritt, und insofern habe ich die Zeit, die ich geschlafen habe, gut und intensiv geschlafen."
Die Krise ist noch nicht ausgestanden? "Nein, die Krise ist doch sehr struktureller Art. Wir haben jetzt praktisch Hilfsmittel gegeben, die wirken auch erst, wenn die Gesetze verabschiedet sind. Die Finanzmärkte spüren offensichtlich, dass staatliche Hilfe da ist, aber das, was für uns wichtig ist, ist, dass so etwas nie wieder passiert, denn die Auswirkungen sind ja doch so, dass wir Sorge haben, dass die Wirtschaft nicht mehr so wächst. Wir müssen natürlich garantieren, dass Finanzmärkte der Wirtschaft und vor allem den Menschen dienen und nicht umgekehrt."
Was wäre passiert, wenn Sie nicht gehandelt hätten? "Wenn wir nicht gehandelt hätten, das muss man wohl sagen, wären doch sehr, sehr viele Institute, wie man so sagt, Banken zusammengebrochen, und das hätte schon zu einer rieseigen Auswirkungen auf unseren Mittelstand, auf die Bürger führen können, und das kann der Staat nicht machen. Insofern ist der Staat jetzt eingesprungen."
Es sind riesige Summen im Spiel - fast 500 Milliarden Euro. Was passiert jetzt mit dem Geld? "Im Augenblick ist es so, dass keine Bank der anderen traut...Wir wollen Sie jetzt sozusagen wieder ermutigen, miteinander auch Geschäfte zu machen. Dazu garantieren wir, wenn eine Bank mit der anderen etwas macht, dass falls Verluste eintreten sollten, falls die andere Bank eben schlechte Risiken bei sich hat, der Staat einspringt. Das heißt also: Die 400 Milliarden, die wir dafür einsetzen, davon werden wir nicht alles verlieren. Wir haben fünf Prozent Risiko eingesetzt, 20 Milliarden. Aber wir wollen den Banken einfach sagen, meine Güte, traut euch wieder, macht Geschäfte, die Leute brauchen Kredite, das ist ganz wichtig."
Es kann gar nicht im schlimmsten Fall alles futsch sein, oder kann es den schlimmsten Fall doch geben? "Ich glaube nicht, dass es den schlimmsten Fall gibt. Wir haben in Skandinavien mal eine Bankenkrise gehabt. Von daher wissen wir, dass der Staat auch eingesprungen ist, dass er relativ viel wieder herausbekommen hat. Das heißt, wir setzen schon Geld ein, auch Geld des Steuerzahlers, aber nur, um den Menschen noch Schlimmeres zu ersparen, um ihnen zu helfen und Sparguthaben und die Wirtschaft, mittelständische Wirtschaft zu sichern."
Was raten Sie denn jetzt den Sparern und den Kleinanlegern? Vor gut einer Woche haben Sie gesagt, Sparguthaben sind alle sicher... "Ja, das gilt ja nach wie vor. Diese Garantie, die wir gegeben haben, gilt ja weiter. Wir haben dann danach bloß gesehen, dass die Banken sich nicht mehr trauen. Jetzt hoffen wir, dass das Ganze wieder ins normale Fahrwasser kommt. Wir haben auch den Banken jetzt die Möglichkeit gegeben, anders abzurechnen sozusagen nach dem Quartal, Dinge, die man im Augenblick auf dem Markt nicht los wird, auch ein Stück weit nach hinten zu schieben. Ich erwarte, dass dann das auch wieder positive Auswirkungen auf die Wirtschaft hat."
Kann der Haushalt, den sie für 2009 und die Jahre danach aufgestellt haben, überhaupt erhalten bleiben? "Wir packen das in ein Sondervermögen, das heißt direkt wird das den Haushalt nicht tangieren. Und abrechnen tun wir dann nach 2009, wenn wir einfach gucken, was ist jetzt wirklich fällig geworden, was haben wir an Steuergeldern einzusetzen. Das kann wie gesagt sehr wenig sein, das kann auch etwas mehr sein. Die Schwierigkeiten, die wir im Augenblick haben, die sind aus den Wachstumsprognosen, dass wir eben nicht mehr ein so gutes Wirtschaftswachstum wie in diesem Jahr sondern im nächsten Jahr wahrscheinlich ein etwas Geringeres. Wir erarbeiten das jetzt gerade, und da müssen wir gucken, dass da, was man Realwirtschaft nennt, also die Chemieindustrie, dass die Automobilindustrie möglichst schnell wieder Fahrt aufnehmen können."
Bleiben Entlastungen, die Sie für das kommende Jahr etwa für Familien vorgesehen haben, erhalten? "Ja, auf jeden Fall. Wir werden bei den Investitionen nicht sparen, das wäre ja ganz falsch, weil beim Investieren natürlich auch immer wieder Arbeitsplätze entstehen. Das, was wir zugesagt haben, werden wir jetzt nicht in Frage stellen. Also für die Familien werden die Entlastungen so kommen, wie wir es gesagt haben."
Der Bundespräsident hat von den Bankchefs eine Entschuldigung gefordert. Finden Sie, das ist eine vernünftige Idee? "Ich finde schon, dass die Branche sich mal äußern kann zu dem, was da vorgefallen ist. Wir haben Jahre lang gesagt, es braucht mehr Regeln, und es ist viel abgelehnt worden. Es war immer so, dass gesagt wurde, die Märkte werden schon alleine funktionieren. Wir wissen seit Ludwig Erhard, die Märkte funktionieren nicht alleine, sondern brauchen immer einen Ordnungsrahmen. Und ich finde, ein Wort der Branche dazu, dass man jetzt sich auf einen solchen Ordnungsrahmen positiv zuwendet, vielleicht auch selber mal darüber spricht, was falsch gelaufen ist, das würde der Politik sehr helfen und wäre auch richtig."
Wie sollen die Verantwortlichen stärker in die Verantwortung genommen werden? "Wir werden, wenn wir jetzt Banken helfen und zum Beispiel Kapital geben, auch Anforderungen an die Banken stellen. Die Garantien für den Handel der Banken zwischen einander kosten Gebühren. Und für das Kapital, das wir geben, wird natürlich gesagt, dafür könnt ihr nicht beliebig hohe Gehälter haben, die Dividenden einfach so ausschütten, als sei nichts passiert. Und wir werden auch aufpassen, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen weiter Kredite bekommen und nicht von der Kreditvergabe einfach ausgeschaltet werden."
Drei Jahre sind Sie jetzt Kanzlerin. War es die schwerste Krise, die Sie zu bewältigen hatten? "Ich glaube, dass die Ereignisse, die wir zum Beispiel letzten Freitag erlebt haben, oder auch die Alarmsignale aus den Banken, ja nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit, dass ist schon ein Vorkommnis, das nicht nur nicht alle Tage passiert, sondern auch nicht alle Jahre. Ich glaube, wir haben hier etwas erlebt, dass eine Branche, die es geben muss - wir brauchen für Wirtschaft auch funktionierende Finanzinstrumente - dass diese Branche aus dem Ruder gelaufen war, weil sie völlig neue Möglichkeiten hatte, und dass sie jetzt besser wieder zurückgeholt werden muss in das Regelwerk einer menschlichen Marktwirtschaft."
Rückfragen: Matthias Bolhöfer, RTL Kommunikation, Tel.: 0221/456 4227
Originaltext: RTL Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/7847 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_7847.rss2
Pressekontakt: RTL Kommunikation Matthias Bolhöfer Telefon: 0221 / 456 4227 Fax: 0221 / 456 4293 matthias.bolhoefer@rtl.de
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