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Köhler: "Wir brauchen umfassende Strategie für die Verwirklichung der Idee der Nachhaltigkeit"

Geschrieben am 26-10-2008

Rostock (ots) -

Bundespräsident überreichte heute in Rostock DBU-Umweltpreis an
von Weizsäcker und Zinke

Der Deutsche Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU,
Osnabrück) ist zum 16. Male vergeben. Den mit 500.000 Euro höchst
dotierten Umweltpreis Europas teilen sich 2008 der Dekan der Donald
Bren School für Umweltwissenschaft und -management der Universität
Kalifornien (Santa Barbara), Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
(69), und der Gründer und Vorstandsvorsitzende des mittelständischen
Biotech-Unternehmens BRAIN AG (Zwingenberg), Dr. Holger Zinke (45).
Anlässlich der Preisverleihung in der Stadthalle Rostock betonte
heute Bundespräsident Horst Köhler die Notwendigkeit einer neuen
industriellen Revolution in der Energie- und Ressourcenproduktivität
- weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien.
Köhler: "Kleine Kurskorrekturen reichen nicht mehr. Wir brauchen eine
umfassende Strategie für die Verwirklichung der wunderbaren, guten
Idee der Nachhaltigkeit."

Köhler wies vor 1.100 Gästen darauf hin, dass die
Herausforderungen, vor denen die Menschheit stünden, riesig seien. In
50 Jahren würden über neun Milliarden Menschen auf der Erde leben,
die alle dem Modell nacheiferten, das die westlichen Industriestaaten
in den vergangenen 150 Jahren entwickelt hätten. Köhler: "Ein Modell,
von dem wir jedoch inzwischen wissen, dass es die Tragfähigkeit der
Erde überfordert, wenn alle ihm folgen." Deshalb müsse ein
Wohlstandsmodell entwickelt und vor allem vorgelebt werden, das
weltweit tragbar und übertragbar sei. Die Industrieländer müssten
ohne weiteren Zeitverlust ihren ökologischen Fußabdruck in der Welt
drastisch verkleinern. Gleichzeitig brauchten die Entwicklungs- und
Schwellenländer Technologien und Verfahren, die es ihnen erlaubten,
besonders umweltschädliche Kapitel unseres eigenen
Industrialisierungsprozesses zu vermeiden. Köhler: "Von einem solchen
zukunftsfähigen Wohlstandsmodell ist die Welt und sind vor allem auch
die westlichen Industriestaaten und auch wir in Deutschland noch weit
entfernt."

Zwar sei in Sachen Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren
einiges geschehen. Und auch in der Politik werde gehandelt. Aber in
Deutschland könne das Ziel, die Ressourcenproduktivität bis 2020 zu
verdoppeln, voraussichtlich nicht mehr erreicht werden, "wenn wir
nicht erheblich an Tempo zulegen". Besorgniserregend sei, dass etwa
der Kohlendioxidausstoß im vergangenen Jahr weltweit drastisch
zugenommen habe und damit selbst die pessimistischsten Prognosen des
Weltklimarates noch übertroffen worden seien. Genauso bedenklich sei,
dass nach jüngsten Erhebungen mittlerweile rund ein Viertel aller
Säugetiere vom Aussterben bedroht sei.

Für ein zukunftsfähiges Wohlstandsmodell seien Erfindergeist und
Ingenieurswissen wichtig. Deutschland als Technologie- und
Marktführer in Sachen Energie- und Rohstoffproduktivität sei in der
Lage, mithilfe moderner Technik etwa die Einsparmöglichkeiten im
Strom- und Wärmeverbrauch zu erschließen. Köhler: "Wir haben die
Kreativität und die technischen Möglichkeiten für eine Revolution in
der Energie- und Ressourcenproduktivität. Das sollte uns Mut machen,
sie dann auch konsequent zu nutzen." Es gehe nämlich darum, die
größte unerschlossene Energiequelle - die Energieeinsparung - nutzbar
zu machen. Köhler: "Die deutsche Wirtschaft hat allen Grund, in einer
Effizienzrevolution für sich eine riesige Chance zu sehen."

Nachhaltigkeit sei aber vor allem eine Frage der persönlichen
Haltung und des Lebensstils. Wir alle müssten unsere Einstellungen
überprüfen und auf eine neue Balance hinwirken "zwischen den Wünschen
des Einzelnen und dem, was die Erde aushält". Dabei gehe es nicht um
Askese, sondern um das Finden von Maß und Mitte für diese Eine unsere
Welt. Bewusster und bejahter Verzicht könne einen Gewinn an
Lebensqualität bedeuten. Menschen, die nur nach materiellem Reichtum
strebten, hätten weniger Aussicht auf Lebenszufriedenheit als jene,
die sich persönliche Ziele jenseits des bloßen Konsums steckten und
soziale Beziehungen pflegten. Köhler: "Erst wenn man auch imstande
ist, weniger zu wollen, kann man Herr über die eigenen Bedürfnisse
bleiben." Die Menschen müssten dazu bereit sein, nach dem Grundsatz
zu handeln, dass jede Generation die Erde in einem besseren Zustand
hinterlassen müsse als sie sie vorgefunden habe; sie müssten bereit
sein, dafür zu sorgen, dass ihr Lebensstil nicht das Leben anderer
gefährde, zitierte das Staatsoberhaupt den Friedensnobelpreisträger
Muhammad Yunus.

Für die Idee der Nachhaltigkeit stünden auch die Träger des
Deutschen Umweltpreises 2008, des "wichtigsten Umweltpreises in
Europa", wie Köhler eine überregionale deutsche Tageszeitung
zitierte. Sie gäben in Theorie und Praxis Antworten auf die Frage,
wie man den kommenden Generationen ihre natürlichen, wirtschaftlichen
und sozialen Lebensgrundlagen sichern helfe. Von Weizsäcker und Zinke
zeigten, dass die Vision, Energieverbrauch und Ressourcennutzung
deutlich zu verringern, keine Utopie bleiben müsse. Köhler: "Der
einzig wahre Realist ist der Visionär."

Prof. Dr. Klaus Töpfer - Mitglied der Jury, selbst
Umweltpreisträger und ehemaliger Direktor des Umweltprogramms der
Vereinten Nationen - betonte in seiner per Videobotschaft
eingespielten Laudatio, von Weizsäcker habe wohl als Erster darauf
aufmerksam gemacht, wie sehr wir unseren Wohlstand subventionierten,
indem wir die Natur verbrauchten und ausbeuteten. Er habe sich nicht
gescheut, politische Verantwortung zu übernehmen und an den
wichtigsten Stellen in der Welt für einen wirkungsvolleren Umgang mit
unseren natürlichen Rohstoffen zu kämpfen.

Zu Zinke führte ebenfalls in einer Videobotschaft Dr. Wolfgang
Plischke - Mitglied der Jury und Vorstand der Bayer AG - aus, er habe
wesentliche Impulse für die weiße Biotechnologie am Standort
Deutschland gegeben. Mithilfe des "Werkzeugkasten der Natur" habe er
völlig neue biologische Wirkstoffe identifiziert, mit denen sich
herkömmliche chemische Industrieprozesse durch umweltfreundlichere
biologische Verfahren ersetzen ließen. Das spare Energie und
Materialien, schone fossile Ressourcen und mache uns zukünftig
unabhängiger von Rohstoffen, die nur begrenzt zur Verfügung stünden.
Zinke und seinem Team sei es gelungen, ein deutsches
mittelständisches Unternehmen zum Schrittmacher für die Entwicklung
einer gesamten Branche zu machen.

Von Weizsäcker betonte im Gespräch mit Moderator Stefan
Schulze-Hausmann, dass er sich von allen beruflichen Stationen am
Wuppertal-Institut wohl am Wohlsten gefühlt habe und dort mit seinen
150 Mitarbeiten Vieles gestaltet habe. Mit Blick auf die Gegenwart
unterstrich er die Bedeutung einer ökologischen Steuerreform, die die
menschenfreundlichste, sozial- und wirtschaftsverträglichste sowie
effektivste Form einer Steuerung sei. Diese Gedanken müssten auch in
die asiatischen Wachstumsräume transportiert werden, weil "dort die
Musik spielt". Und natürlich müssten auch Fragen der Energie- und
Ressourcenproduktivität mit Nachdruck verfolgt werden.

Zinke - mit 45 Jahren jüngster Umweltpreisträger - wies in seinen
Dankesworten darauf hin, dass er bei dieser Auszeichnung symbolisch
für das Unternehmen und alle 72 Mitarbeiter stehe. Gemeinsam mit
ihnen sei er sehr froh und auch stolz, dass die langjährige Arbeit
als "biologisches Gewissen der Industrie" ihre Würdigung in einem so
renommierten Preis gefunden habe. Gleichzeitig verstehe sein
Unternehmen diese Auszeichnung als Bestätigung seines Beitrags an dem
industriellen Transformationsprozess und Motivationsschub für weitere
Produkt- und Prozessentwicklungen für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Fotos nach IPTC-Standard zur kostenfreien Veröffentlichung unter
www.dbu.de

Originaltext: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6908
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6908.rss2

Pressekontakt:
Ansprechpartner
Franz-Georg Elpers
- Pressesprecher -
Isabel Krüger
Taalke Nieberding
Anneliese Grabara
Kontakt DBU:
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
Telefon: 0541|9633521
Telefax: 0541|9633198
presse@dbu.de
www.dbu.de


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