 Allg. Zeitung Mainz: zu Antisemitismus
Geschrieben am 04-11-2008 |
Mainz (ots) - Dass Antisemitismus 63 Jahre nach Ende des Zweiten
Weltkriegs und 70 Jahre nach der Reichspogromnacht am 9. auf den 10.
November 1938 hierzulande noch immer existiert, ist ein Phänomen, für
das es auf den ersten Blick keine Erklärung gibt. Hat diese Nation
ihre Lektion nicht gründlich genug gelernt? Offenbar nicht, sonst
hätte es allein in diesem Jahr keine 800 antisemitischen Straftaten
gegeben, sonst würden jüdische Gemeindezentren und Synagogen nicht
bundesweit unter Polizeischutz stehen. Deutschland ein Land also
voller Judenhasser? Sicher nicht, aber ein Land, in dem noch immer
viel zu wenig Aufklärung betrieben wird. Antisemitismus ist ein
Vorurteil, dem man nur mit Lehren und Lernen begegnen kann. Das fängt
im Elternhaus an und muss sich in der Schule konsequent fortsetzen.
Was da versäumt wird, lässt sich kaum aufholen. Deshalb muss vor
allem dort angesetzt werden. Die Entschiedenheit, mit der sich jetzt
alle Parteien im Bundestag erklären und bereit sind, weit mehr als
bisher in Programme gegen Antisemitismus zu investieren, ist gut und
richtig. Doch reicht das? Sicher nicht. Dass es trotz konsequenter
juristischer Ahndung auch im Jahr 2008 so viele, auch körperlich
bedrohliche Vorfälle gibt, zeigt, dass viele Menschen gar nicht
erreicht werden. Deshalb muss das Thema weit mehr als bisher laut und
deutlich öffentlich diskutiert werden. Die Menschen müssen mit dem
Antisemitismus konfrontiert werden. Vorurteile resultieren aus
Unwissen. Dem kann abgeholfen werden. Jeder kann eine Synagoge
besuchen, er muss nur wollen. Er wird dort viel Bereitschaft zur
Erläuterung finden und er wird feststellen, dass Juden keinen Deut
anders sind als der Rest der Nation. Das sollte jeder begreifen. Auch
70 Jahre nach der Reichsprogromnacht ist es dafür nicht zu spät.
Originaltext: Allgemeine Zeitung Mainz
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