Lausitzer Rundschau: Präsidentschaftswahlen in den USA Der schwierige Neuanfang
Geschrieben am 04-11-2008 |
Cottbus (ots) - Der nächste US-Präsident steht nach acht Jahren George W. Bush vor einer ganz ungewöhnlichen Herausforderung. Denn der jetzige Mann im weißen Haus hat im politischen Leben der Supermacht ungewöhnlich tiefe Spurrillen hinterlassen. Seine fast schon schrankenlose Ausweitung der Macht des Präsidenten ist die erste große Versuchung, mit der sich der Wahlsieger auseinandersetzen muss. Denn nach den Anschlägen des 11. September 2001 gelang es Bush, die bisherigen Regeln der Verteilung der Macht zwischen dem Kongress, also den gewählten Abgeordneten, und der von ihm geführten Regierung außer Kraft zu setzen. Eine Vielzahl der als Krieg gegen den Terrorismus begründeten Maßnahmen wurden in aller Heimlichkeit von einer kleinen Clique und ohne jede Kontrolle durch die Parlamentsgremien und damit auch der Medien durchgeführt. Die Folge war ein verheerender Angriff auf zentrale Werte der USA, für den herausragend die Folterpraxis der CIA und auch des Militärs steht. Aber die Methode blieb nicht auf die Sicherheitspolitik beschränkt. Dem Präsidenten eine wesentlich stärkere Stellung zu verschaffen, war eines der wichtigsten Ziele von George W. Bush und insbesondere von Vizepräsident Dick Cheney. Der hatte als Mitarbeiter des Weißen Hauses in den siebziger Jahren die Einschränkungen miterleben müssen, die damals der Präsidentenmacht auferlegt wurden. Jetzt, wo ein Senator, also ein Mann des Parlaments, Staatschef wird, sollte er aufgrund eigener, leidvoller Erfahrung gefeit sein gegen die Auswüchse der letzten Jahre. Aber ob er tatsächlich die Kraft hat, der Versuchung zu widerstehen und die Dinge wieder zurückzuschrauben und damit Macht abzugeben und bessere Kontrolle zu ermöglichen, wird eine der wichtigsten Herausforderungen. Kaum weniger bedeutend wird die Auseinandersetzung darüber sein, wie das Verhältnis zu anderen Nationen geregelt wird. Bush hat bei der Durchsetzung seiner wichtigsten außenpolitischen Ziele keine Rücksicht genommen auf Verbündete. Daran wird sich, was die Sicherheitspolitik betrifft, einiges ändern. Aber die Versuchung wird groß sein, seinem Beispiel in anderen Feldern, etwa bei der Handelspolitik oder beim Klimaschutz, zu folgen. Dann würden die USA wieder ohne Absprache oder Zustimmung die eigene Position bestimmen und erneut als glaubwürdige Führungsmacht des Westens ausfallen. Langfristig entscheidend nicht nur für die politische Kultur in den Vereinigten Staaten selbst, sondern für die Gemeinschaft der demokratisch regierten Nationen wird allerdings die Antwort auf eine Frage sein, die für Washington ein bislang eher unbekanntes Terrain darstellt. In der Amtszeit von George W. Bush haben sich eine Vielzahl von Regierungsinstitutionen und Mitarbeitern etwas zu Schulden kommen lassen, was auch von der großen Mehrheit der Rechtskundigen des Landes als Verbrechen gewertet wird. Dazu zählt die kriminelle Behandlung von Gefangenen, die Tötung völlig Unbeteiligter in Krisengebieten, die Entführung in Drittländern und die Auslieferung von Menschen in Staaten, die für ihr menschenverachtendes Regime bekannt sind. Dazu zählt auch der Angriff auf Bürgerrechte wie etwa dem Schutz vor ungesetzlicher Ausspähung und Datensammlung. Ob es gelingt, all diese schrecklichen Verirrungen aufzuarbeiten und Konsequenzen daraus zu ziehen, wird ganz entscheidend vom neuen Mann im Weißen Haus abhängen. Ob er dies will und kann, weiß im Moment wohl der neue Präsident selbst noch nicht. Denn es fehlt auch eine umfassende Bestandsaufnahme des Geschehenen. Und die Finanzkrise sowie die Kriege im Irak und in Afghanistan bieten hinreichend Anlässe, sich davor zu drücken. Längerfristig aber ist ein Neuanfang ohne den konsequenten Blick auf diese Sünden der jüngsten Vergangenheit nicht denkbar.
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