Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 27. November 2008 die Generaldebatte zum Bundeshaushalt:
Geschrieben am 26-11-2008 |
Bremen (ots) - Mittelmaß halten von Joerg Helge Wagner Angela Merkel pfeift im dunklen Wald der Rezession - und es klingt schräg und falsch. Nahezu bei jedem Ton ihrer gestrigen Rede merkte man der Kanzlerin an, dass sie selbst nicht glaubt, was aber bitteschön das (Wahl-) Volk bis auf weiteres glauben soll. Etwa, dass ihr 32 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm Investitionen in Höhe von 50 Milliarden auslösen werde. Oder dass man die Konjunktur - Export wie Binnenmarkt - ohne drastische Steuersenkung wiederbeleben könne. Stattdessen wird mit kleinen Münzen geklimpert: Zehn Euro mehr Kindergeld pro Monat und die Absetzbarkeit der (steigenden) Krankenkassenbeiträge sollen "Entlastung" schaffen. Spürbare Steuersenkungen seien eben leider mit der SPD nicht zu machen, funkte sie jüngst bedauernd Richtung Wirtschaftsflügel und FDP-Chef Westerwelle. Der aber gab sich gestern gar nicht verständnisvoll, sondern angriffslustig, attestierte Merkel "eingeschlafene Füße" und mahnte Richtlinienkompetenz an. Dabei hat der brillante Rhetoriker, der auch machtpolitisch kein Waisenknabe ist, natürlich nicht nur das Wohl der Volkswirtschaft im Sinn. Er will als der Oppositionsführer da stehen, der die bräsige Kanzlerpartei CDU antreibt - und nicht als der FDP-Chef, der abwartet und dann zusieht, wie Merkel im Wahlkampf den liberalen Joker ausspielt, indem sie eine Steuerreform ankündigt: niedriger, einfacher, gerechter. "Mehr netto vom Brutto!" - das Copyright darauf lässt sich Westerwelle nicht nehmen, auch nicht vom erhofften Koalitionspartner. Natürlich wird das die CDU nicht davon abhalten, trotzdem am kommenden Wochenende auf ihrem Stuttgarter Parteitag in genau diese Richtung zu marschieren. Merkel, die gestern noch "Maßhalten" forderte, unterstrich damit nur das Mittelmaß der ungeliebten Großen Koalition. Zig Milliarden Euro Steuermehreinnahmen - verpufft. Ausgeglichener Haushalt, sinkende Sozialabgaben - vertagt. Entbürokratisierung, Deregulierung - ausgefallen. Nein, das kann man nicht alles auf die Finanzkrise schieben. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Eine Regierung, die ihre Ziele auch in Jahren brummender Konjunktur vernachlässigt hat, wird nicht in der Krise über sich hinauswachsen.
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