Westdeutsche Zeitung: EU-Gipfel = Von Alexander Marinos
Geschrieben am 08-12-2008 |
Düsseldorf (ots) - Der Betrachter wähnt sich im falschen Film: In London treffen sich der britische Premier und der französische Präsident mit dem EU-Kommissionschef, um Maßnahmen gegen die Konjunkturkrise zu besprechen, und die Bundeskanzlerin ist nicht eingeladen. Das ist ein gezielter Affront gegen Angela Merkel und der durchsichtige Versuch, die Machtverhältnisse innerhalb Europas neu zu ordnen. Tatsächlich hat sich Merkel angreifbar gemacht: Während sich Gordon Brown und Nicolas Sarkozy in ihren Hauptrollen als Super-Krisen-Manager gefallen, gibt die Kanzlerin unumwunden zu, für die Krise "kein Drehbuch" zu haben - und wartet darum lieber ab, bis sie die Entwicklung zwingt, sich wieder in Szene zu setzen. Man mag von dieser Taktik halten, was man will. Fakt ist, dass Merkel sich so in kürzester Zeit international isoliert hat. In Europa hat sie bereits den von Paris in Umlauf gebrachten Spitznamen "Madame No" weg; in den USA fragen die Zeitungen ironisch: "Wo ist Miss World?" Über die einst mächtigste Frau der Welt wird gelästert und gelacht. Wenn sich der US-Präsident Barack Obama im kommenden Jahr daran macht, die Welt neu zu ordnen, könnte Deutschland dabei nur noch eine Statistenrolle zufallen. Zwischen Berlin und Paris läuft ja schon lange nichts mehr. Das liegt einerseits an den Persönlichkeiten an der Spitze. Sarkozy ist ein Louis de Funès der Politik: quirlig, aufbrausend, ungeduldig. Merkel dagegen würde eher als deutsche Ausgabe der Miss-Marple-Darstellerin Margaret Rutherford durchgehen: ruhig, rational, abwägend. Das passt nicht zusammen. Erschwerend kommen die unterschiedlichen politischen Systeme hinzu. Im französischen Zentralstaat kann der übermächtige Präsident beinahe schalten und walten, wie er will. Im deutschen Föderalismus gibt es immer und überall Abstimmungsbedarf. In der Krise kann eine solche Konsensdemokratie die notwendige Führung nach innen sehr erschweren. Umso wichtiger wäre es, dass Merkel zumindest nach außen wieder Stärke demonstriert - und offensiv für ihren Weg wirbt. Sollen sich Sarkozy und Brown doch ruhig als Weltstars gerieren! Ohne den finanzstarken Produzenten Deutschland bleibt ihr Filmchen eine Billigproduktion.
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