Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Geschrieben am 12-12-2008 |
Bielefeld (ots) - Es sind schwere Wochen für Angela Merkel, von besinnlicher Vorweihnachtszeit keine Spur. Am Freitag erst ging in Brüssel der EU-Gipfel zu Ende. Am Sonntag empfängt die Bundeskanzlerin hochrangige Wirtschaftsvertreter, um über die richtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise zu beraten. Noch in diesem Jahr soll zudem über staatliche Hilfen für den in Not geratenen Autobauer Opel entschieden werden. Keine Frage: Angela Merkel erlebt den Härtetest ihrer Kanzlerschaft. In bemerkenswerter Einigkeit mit SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück lehnt die CDU-Chefin das Motto »Viel hilft viel« ab. Selbst der einmütige Rat der Wirtschaftsexperten, die Konjunktur schnell und massiv zu stützen, konnte daran nichts ändern. Kritiker, von denen es viele gibt, werfen der Kanzlerin vor, die Rezessionsgefahren zu unterschätzen. Sie verhalte sich starrköpfig. Dabei herrscht noch immer ein ziemliches Stimmengewirr. In der Frage, wie denn genau der Krise beizukommen sei, sind sich die Experten schon weit weniger einig. Gleiches gilt für das erwartete Ausmaß und die Dauer der wirtschaftlichen Talfahrt. Stattdessen liegt Aktionismus in der Luft nach dem Motto: »Lieber das Falsche tun als gar nichts tun«. Zum Streit in der Sache kamen zuletzt unübersehbare atmosphärische Störungen. Angela Merkel erlebt beinahe täglich Sperrfeuer von der Schwesterpartei. CSU-Chef Horst Seehofer hat sich auf seine Dauerrivalin eingeschossen, und selbst der ansonsten weithin blasse Wirtschaftsminister Michael Glos lässt kaum eine Gelegenheit zur versteckten Schelte aus. Mit Englands Premier Gordon Brown und dem französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy hatten die großen europäischen Nachbarn zuletzt gar Spott für Angela Merkel übrig. Erst machte die wenig schmeichelnde Bezeichnung »Madame No« die Runde, dann blieb die Kanzlerin bei der Vorbereitung des Brüsseler Gipfels außen vor. Ein Affront. Doch Merkel wäre nicht Merkel, wenn sie das alles nicht abschütteln könnte. Im Innern mag es brodeln, nach außen gibt sich die Kanzlerin gelassen. Und am Ende trägt das Gipfelergebnis unverkennbar ihre Handschrift. In Sachen Konjunktur werden die Erwartungen an staatliches Handeln deutlich abgeschwächt. Beim Klimaschutz rückt die Kanzlerin selbst von ihren ehrgeizigen Zielen ab. Europas Industrie wird spürbar geschont, zumindest vorerst. Angela Merkel ist überzeugt: »Klimakanzlerin« und Konjunkturkrise, das passt nicht zusammen. Jetzt geht es zuerst um den Erhalt der Arbeitsplätze. Dass sie damit einem möglichen politischen Leitbild einen herben Dämpfer verpasst, nimmt sie in Kauf. Angela Merkel bleibt sich treu. Das Abwägen ist eine ihrer großen Stärken, das Gespür für die durchsetzbare Mehrheitsmeinung eine andere - Visionen müssen im Zweifelsfall warten. Im politischen Alltag hat sie mit dieser Strategie großen Erfolg, und einiges spricht dafür, dass sie damit auch weiter Erfolg haben wird. Ob sich so eine große Kanzlerschaft begründen lässt, ist hingegen eine ganz andere Frage.
Originaltext: Westfalen-Blatt Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
176531
weitere Artikel:
- Mitteldeutsche Zeitung: zu EU-Gipfel Halle (ots) - Der oft zitierte "europäische Mehrwert" ist nicht erkennbar, sieht man von der Glühbirne als Symbol für den Kurswechsel ab. Das Feilschen um Ausnahmen und "Klima-Soli" verdichtet sich nicht zu einem Signal der Entschlossenheit, sowohl die Rezession als auch die atmosphärischen Herausforderungen wirklich anzugehen. Irgendwie hatte man sich eine EU, die sich anschickt, die wirtschaftspolitische Führungsrolle in der Welt anzutreten, anders vorgestellt. Und doch ist es genau dieser Weg, den Europa gehen muss. Jeder Versuch, alle mehr...
- LVZ: zum EU-Gipfel EU-Erfolg mit Abstrichen Leipzig (ots) - Von Peter Sennekamp Als Angela Merkel im März 2007 auf dem Brüsseler EU-Gipfeltreffen "Klimakanzlerin" wurde, dürfte sie gewusst haben, wie viel Schweiß dieser Ehrentitel sie noch kosten würde. Es folgten massive Proteste der mächtigsten Konzernherren der Bundesrepublik; es folgte ein hyperaktiver Franzose Nicolas Sarkozy, der heute Konzerne verstaatlichen, morgen Finanzpakete schnüren, aber beides nicht wirklich durchziehen wollte; es folgten jede Menge nationale Widerstände und zu allem Überfluss noch die großen Verwerfungen mehr...
- Rheinische Post: Niedergang der Hausaufgaben Kommentar VON JENS VOSS Düsseldorf (ots) - Die Geschichte hinter der Hausaufgaben-Geschichte ist traurig: Offenbar sind Schüler immer weniger willens oder in der Lage, den Teil ihres Schüler-Berufes allein zu erledigen, den sie zu Hause erledigen müssten: ihre Hausaufgaben. Der Name klingt etwas hausbacken, das Instrument aber ist das zeigen Studien wichtig für den Lernfortschritt, wichtig auch für die allgemeine Entwicklung eines Schülers. Wer übt, lernt mehr, wird sicherer, gewinnt Zutrauen zu sich und hat nebenbei mit jeder erledigten Aufgabe ein bisschen mehr...
- Rheinische Post: Detroit ist Geschichte Kommentar VON THOMAS REISENER Düsseldorf (ots) - Der Nervenkrieg, den sich die US-Politik um das Rettungspaket für die maroden US-Autobauer Chrysler und GM liefert, ist kein böser Wille. Er ist nur der verzweifelte Versuch, ein Dilemma zu lösen, für das es keine Lösung mehr gibt. Fließt die Nothilfe nicht, ist die Industrie-Metropole Detroit Geschichte. Chrysler und GM sind dermaßen marode, dass sie ohne die Nothilfe umgehend verramscht werden müssten. Konsequenz: Die USA, ohnehin schon in der schwersten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg, hätten mit einem Schlag mehr...
- Rheinische Post: Die Renaissance der Mischkonzerne Kommentar VON ANTJE HÖNING Düsseldorf (ots) - Nach dieser Krise wird vieles nicht mehr so sein wie früher. Die Geldpolitik in den USA wird nie wieder so lax sein, Banken werden an die Kandare genommen und auch die Management-Philosophie wird sich wieder ändern. Bislang galt es als besonders schick, spezialisierte Konzerne zu haben. "Fokussierung auf das Kerngeschäft" hieß das Zauberwort. Damit kann man in Boomzeiten hohe Gewinne machen, in Krisenzeiten aber auch steil abstürzen. Daher wird der Kapitalmarkt bald seine Liebe zu Mischkonzernen entdecken. Auf mehreren mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|