Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Geschrieben am 08-02-2009 |
Bielefeld (ots) - Reisende soll man nicht aufhalten. Das gilt erst recht für reisende Politiker, die sich schon von ihren Ämtern verabschiedet haben. Wenn der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer trotzdem zunächst versucht hat, seinen Parteikollegen Michael Glos zum Rücktritt vom Rücktritt zu überreden, dann hatte er dafür Gründe; der wichtigste: Seehofer war dabei, sich ins Abseits zu manövrieren. Das politische Berlin ist immer weniger willens, die Querschüsse aus München hinzunehmen. Inakzeptabel war es auch, dass Seehofer bereits über einen Nachfolger spekulierte, als Glos noch fest im Amt war. Am Beginn einer Wirtschaftskrise und im Wahljahr ist dieses Verhalten untragbar. Es wurde Zeit, dies zu beenden. Ohnehin war es eigentlich von Anfang an Sache der Bundeskanzlerin und nicht Seehofers, einen Minister im Amt zu halten oder zu entlassen. In der besonderen Arithmetik einer Drei-Parteien-Koalition aber kann Angela Merkel nicht frei agieren. Im Grunde kam ihr ein schwacher Glos seit langem zupass. Jedes Mal, wenn sich der gelernte Müllermeister aus Unterfranken mit Finanzminister Peer Steinbrück, Umweltminister Sigmar Gabriel oder einem anderen Minister aus ihrem Kabinett anlegte, stärkte sie Glos' Widerpart den Rücken. Der Wirtschaftsminister hat in dem Amt, das er nicht wollte, keine Akzente gesetzt. Man muss ihm zugute halten, dass er viel lieber Verteidigungsminister geworden wäre. Er hätte dieses Amt wohl auch bekommen, hätte sich Wackel-Politiker Edmund Stoiber nicht in letzter Sekunde gegen Berlin entschieden. So musste der Parteisoldat Glos in die Rolle des Lückenbüßers schlüpfen: eine glatte Fehlbesetzung. Die Diskussion um mögliche Alternativen hat früh eingesetzt. Die Mehrheit nicht nur in der Union hätte viel lieber Friedrich Merz auf dem Posten gesehen. Inzwischen hat der hellsichtige, aber auch eigensinnige Sauerländer der Politik adieu gesagt. Später drehte sich die Gerüchteküche vor allem um den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Ein Ringtausch - Koch neuer Wirtschaftsminister, Glos Verteidigungsminister und Amtsinhaber Franz-Josef Jung neuer Regierungschef in Wiesbaden - hätte wohl auch die Zustimmung des Franken erhalten. Doch dann konnte - Ypsilanti sei Dank - Koch doch in Hessen bleiben. Die Personaldecke von CDU und CSU ist dünn. Kompetenz in Sachen Marktwirtschaft strahlen heute fast nur Angela Merkel und Peer Steinbrück aus - letzterer freilich aus Unionssicht mit dem Handicap, Inhaber des »falschen« Parteibuchs zu sein. So gesehen könnte ein Mittelständler wie Thomas Bauer das Bild der Koalition sogar verbessern. Mit einem Wirtschaftsminister auf dem Absprung sind in Krisenzeiten dagegen weder die Unternehmer noch die Gewerkschaften und erst recht keine Wahlen zu gewinnen. Glos tut gut daran, die Fahrkarte in den Ruhestand zu lösen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Je schneller es geschieht, desto größer die Chance, dass vom Lebenswerk des einst geschätzten Politikers mehr bleibt als die Erinnerung an dieses Scheitern.
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