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Druckchemikalie ITX in Kartonsäften: Ministerin Aigner schützt Industrie statt Verbraucher

Geschrieben am 26-02-2009

Berlin (ots) - Trotz gegenteiliger Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts verweigert das Verbraucherschutzministerium
drei Jahre nach dem Skandal um die Verunreinigung von Säften und
Milchprodukten mit der Druckchemikalie ITX weiter die Akteneinsicht -
Nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe traten höhere
Belastungen auf als bisher zugegeben - Umweltorganisation fordert
Freigabe der dem Aigner-Ministerium vorliegenden Messergebnisse -
Betroffene Wirtschaftsunternehmen versuchen die Offenlegung der
ITX-Belastung einzelner Produkte vor Gericht zu verhindern

Fast drei Jahre lang hat Verbraucherschutzminister Horst Seehofer
(CSU) der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) die Einsicht in
ungeschwärzte Akten über die Kontamination von Kartonsäften mit der
Druckchemikalie Isopropyhthioxanton (ITX) verweigert. Seit ihrer
Amtsübernahme setzt Seehofers Parteifreundin Ilse Aigner die
Informationsblockade fort. Selbst nachdem inzwischen drei
Gerichtsinstanzen - das Verwaltungsgericht Köln, das
Oberverwaltungsgericht NRW und zuletzt im Herbst 2008 auch das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: BVerwG 20 F 2.08) - diese
Praxis als rechtswidrig einstuften und das Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) aufforderten,
die Akten dem Gericht ungeschwärzt zur Prüfung zu überlassen, stellte
sich das Ministerium stur, bis heute.

"Das Verbraucherschutzministerium verdient seinen Namen nicht, es
vertritt einseitig und rechtswidrig die Interessen der Industrie und
nicht die der Verbraucher. Erst Horst Seehofer und jetzt Ilse Aigner
verweigerten und verweigern die Bekanntgabe der konkreten
Belastungswerte von Kartonsäften mit einer gesundheitlich
problematischen Chemikalie. Sie missachten das
Verbraucherinformationsgesetz, das in der Amtszeit und unter der
Zuständigkeit des heutigen bayerischen Ministerpräsidenten
verabschiedet wurde. Die DUH ist erneut gezwungen, vor Gericht zu
ziehen - diesmal um das Aigner-Ministerium zur Einhaltung ihres
eigenen Gesetzes zu zwingen. Dies ist ein einzigartiger Vorgang",
sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist der bis heute nicht
aufgeklärte Skandal um die Belastung von in Kartonverpackungen
abgefüllten Frucht- und Gemüsesäften mit der gesundheitsgefährdenden
Druckchemikalie ITX, den die DUH mit von ihr veranlassten
stichprobenartigen Laboruntersuchungen Anfang 2006 öffentlich machte.
Handel, Industrie und das Seehofer-Ministerium verständigten sich
damals darauf, mit ITX belastete Säfte nicht aus dem Verkehr zu
ziehen und sie stattdessen - mit behördlichem Segen - über die
Verbraucherkehlen zu entsorgen. Daraufhin ließ die DUH über zwei
Monate hinweg jede Woche fünf bis zehn Kartonsäfte untersuchen und
veröffentlichte die zum Teil erschreckend hohen ITX-Konzentrationen
insbesondere bei Obst- und Gemüsesäften. Die betroffenen
Handelsunternehmen nahmen die Säfte jeweils binnen Tagen oder sogar
nur Stunden nach der Veröffentlichung aus den Verkaufsregalen.

Gleichzeitig verzichtete das BMELV schon damals konsequent darauf,
die Öffentlichkeit über die wahren Belastungen zu informieren.
Begründet wurde dies mit dem absurden Argument, eine
Chemikalienbelastung von Getränken stelle ein schützenswertes
Betriebsgeheimnis der Hersteller dar. Nach Informationen der DUH
könnte das wahre Motiv für die bis heute anhaltende Dauerblockade
darin liegen, dass die dem Ministerium bekannten
Produktverunreinigungen teilweise noch deutlich höher lagen als die
von der DUH in ihren Stichproben festgestellten Werte. Hierzu liegen
der DUH Messprotokolle und Tabellen aus dem Aigner-Ministerium mit
zum Teil extrem hohen ITX-Konzentrationen vor, bei denen allerdings
die Produktbezeichnungen geschwärzt wurden (Beispiele können unter
www.duh.de eingesehen werden). Trotzdem hatte es das Ministerium
damals bei einem Handelsstopp lediglich für Milchprodukte belassen,
die in entsprechenden Getränkekartons abgefüllt waren.

Vor wenigen Wochen informierte das Ministerium sogar große und
seinerzeit betroffene Lebensmittelketten, wie die REWE-Zentral AG und
die Penny Markt GmbH, über den Stand der gerichtlichen
Auseinandersetzung. Die Unternehmen beantragten daraufhin Anfang
Februar eine einstweilige Anordnung, mit der sie gerichtlich
verhindern lassen wollten, dass die Akten herausgegeben werden. Der
Antrag der beiden Handelsketten wurde vom Verwaltungsgericht Köln
inzwischen abgewiesen. Mit Eilantrag versuchen die Handelsunternehmen
nun über das Oberverwaltungsgericht NRW die Herausgabe der Akten doch
noch zu verhindern. "Wir sehen sehr deutlich, dass Teile der
Wirtschaft alle Hebel in Bewegung setzen, um den Zugang zu
gesundheitsrelevanten Verbraucherinformationen zu verhindern. Es ist
zutiefst bedauerlich, dass gerade das Verbraucherschutzministerium
sich in dieser Auseinandersetzung zum willfährigen Gehilfen der
Wirtschaft macht", kritisierte Resch.

In einem Schreiben an drei Hersteller von
Getränkekartonverpackungen verlangt die DUH Aufklärung darüber,
welche Konsequenzen für das Druckverfahren seinerzeit gezogen wurden,
sowie ob und gegebenenfalls welche Chemikalien zur Beschleunigung der
Trocknung der Druckfarben heute eingesetzt werden. "Das
Aigner-Ministerium wird lernen müssen, dass die heute existierenden
Informationsfreiheitsrechte genuine Bürgerrechte sind. Es ist
beschämend, dass es dazu erst jahrelanger Gerichtsverfahren bedarf",
erklärte Rechtsanwalt Remo Klinger, Prozessvertreter der DUH und
Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Geulen & Klinger.

Die von der DUH im Jahr 2006 festgestellten ITX-Belastungen kamen
produktionsbedingt durch den Kontakt zwischen dem Innenmaterial mit
der bedruckten Außenfolie der Getränkekartons und anschließend durch
den Abrieb zwischen Produkt und Verpackungsmaterial zu Stande. Es ist
unklar, inwieweit Hersteller von Getränkeverpackungen inzwischen
vollständig auf die Verwendung von ITX verzichten, welche
Ersatzchemikalien sie gegebenenfalls nutzen und welche
Gesundheitsrisiken mit den neuen Druckfarben und so genannten
Photoinitiatoren verbunden sind.

"Da sich die Druck- und Produktionsverfahren der Getränkekartons
nicht grundlegend verändert haben, kann der Abrieb von Chemikalien
aus den Druckfarben entsprechend bis zum heutigen Tag nicht
ausgeschlossen werden. Das Bundesministerium muss deshalb nicht nur
alle vorliegenden Informationen hinsichtlich der ITX-Belastungen
offen legen, sondern sich auch zu Ersatzchemikalien und deren Einsatz
in der Getränkekartonproduktion äußern", verlangte Maria Elander, die
Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der DUH. "Die beharrliche Ablehnung
des Verbraucherministeriums, die uns rechtlich zustehenden
Informationen zu übermitteln, ist nicht nachvollziehbar und weckt
eher den Verdacht, dass das Ministerium tatsächlich etwas zu
verbergen hat".

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V. ,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 2400
867-19, E-Mail: resch@duh.de

Dr. Remo Klinger, Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger, Schaperstr.
15, 10719 Berlin Tel.: 030 884728-0oder 0171-2435458 Fax: 030
884728-10, E-Mail: klinger@geulen.com

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 01715660577, Tel.:
0302400867-21, Fax: 0302400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Fax:
030 2400867-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de


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