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Neue Westfälische: "Angela Merkel ist umgefallen" INTERVIEW: Peter Struck, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion

Geschrieben am 22-03-2009

Bielefeld (ots) - Herr Struck, von gegenseitigen Beleidigungen in
der Großen Koalition ist die Rede. Ist der Kuschelkurs zwischen CDU
und SPD endgültig beendet?
PETER STRUCK: Einen Kuschelkurs gab es nie. Aber in den Köpfen
einiger Christdemokraten zeichnet sich am Horizont schon der
Wahlkampf ab. Allerdings wollen wir bis dahin noch 40 Gesetze
gemeinsam verabschieden, wichtige Dinge wie die Patientenverfügung
und die Föderalismusreform. Aber es ist schon ärgerlich, dass sich
die Kanzlerin gegen ihre eigene Überzeugung in der CDU-Fraktion nicht
in der Frage der Jobcenter durchsetzen konnte und gegen ihren eigenen
Vorschlag gestimmt hat. Obwohl sich Arbeitsminister Olaf Scholz
vorher mit CDU-Ministerpräsidenten geeinigt hatte.
Gibt's an anderer Stelle noch ähnlich harte Auseinandersetzungen?
STRUCK: Ein wichtiges Thema wird sein, was wir noch mehr zur
Kontrolle der Finanzmärkte tun müssen. Soll eine Börsenumsatzsteuer
eingeführt werden, sollen Managergehälter noch weiter begrenzt,
sollen die Haftungsregelungen verschärft werden? Wir wollen das. Da
erwarte ich große ideologische Auseinandersetzungen. Und das in einem
Moment, in dem die Führungsfähigkeit von Angela Merkel aus den
eigenen Reihen angezweifelt wird und der CDU Stammwähler verloren
gehen, zugunsten der FDP.
Sie und der CDU-Fraktionschef Volker Kauder galten mal fast als
Freunde. Geht dieses Verhältnis im Koalitionszank auch in die Brüche?
STRUCK: Das Persönliche ist unverändert. Volker Kauder ist ein Mann,
auf dessen Wort man sich verlassen kann. Aber als es um die
Neuorganisation der Jobcenter ging, hat Kauder sich mit seiner
ablehnenden Haltung gegen Jürgen Rüttgers und auch Angela Merkel
durchgesetzt und eine sinnvolle Lösung verhindert.
Wie gehts mit den Jobcentern denn weiter?
STRUCK: Die gegenwärtige Situation hat negative Auswirkungen für die
Mitarbeiter der Center, die nicht wissen, wie es weiter geht, und für
die Betroffenen, die Arbeitslosen. Wenn sich nichts ändert, bekommen
die ab 2011 zwei Bescheide. Ich hoffe, dass wir auf Initiative von
NRW im Bundesrat noch eine Chance bekommen, die CDU-Fraktion sich
eines besseren besinnt. Aber ich bin nicht sehr optimistisch.
Wie sind die Verhandlungen dazu denn gelaufen?
STRUCK: Die CDU-Fraktion hat eine sinnvolle Lösung aus ideologischen
Gründen wider jede Vernunft scheitern lassen. Darüber ist auch
innerhalb der CDU ein heftiger Streit entbrannt. Ich hoffe, dass sich
die einsichtigen Kräfte in den Ländern durchsetzen können. Es ist
jedenfalls ein ärgerlicher Vorgang, weil Kanzlerin Angela Merkel
umgefallen ist.
CSU-Chef Horst Seehofer rät der SPD, die Brocken hinzuwerfen und die
Koalition zu verlassen. Was halten Sie denn von diesem Vorschlag?
STRUCK: Wir haben den Regierungsauftrag bis zum 27.September von den
Wählern erhalten und nicht vom bayerischen Ministerpräsidenten. Im
Übrigen gibt es in der Politik seriöse Vorschläge und das ewige
Geschwätz des Herrn Seehofer.
Der nächste Graben in der Koalition hat den Namen Opel.
STRUCK: Da habe ich den Eindruck, dass in der Union die Haltung
besteht: im Zweifel Opel kaputtgehen lassen. Das ist nicht unsere
Position. Ein verlorener Arbeitsplatz in der Industrie kommt nie
wieder. Wir kämpfen um die Sicherheit für Opel und dessen Zulieferer.
Ich will keine Möglichkeit ausschließen, auch nicht, dass sich der
Staat direkt beteiligt. Das ist für die Union völlig unmöglich. Eine
nationale Lösung Opel-Deutschland allein ist nicht machbar. Dazu ist
das Unternehmen zu sehr in Europa verflochten. Also brauche wir eine
europäische Lösung.
Trotz großer Überkapazitäten auf dem Automarkt wollen Sie also
Steuermittel in ein Unternehmen stecken, das dann seine Autos gar
nicht mehr loswird?
STRUCK: Opel hat eine Perspektive, mit einer breiten Produktpalette.
Wenn man Zulieferer und die Verflechtung im Forschungsbereich
berücksichtigt, lohnt sich das. Wir reden über 26.000 Arbeitsplätze
in Deutschland, mit dem genannten Umfeld sogar über 50.000. Am Ende
muss man abwägen, ob den Staat die Bürgschaft für ein Unternehmen
mehr kostet als ein deutliches Ansteigen der Arbeitslosigkeit.

Originaltext: Neue Westfälische
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de


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